Stellenkommentar UB IV WB 10, KSA 1, S. 501 553
ner seine Absicht begründet, Sänger und Schauspieler „in eine Übung ihrer
guten Anlagen zu versetzen, welche sie schnell und entscheidend der Verwirk-
lichung unseres Kunstwerkes dienlich machen würde. Denn nur aus dem ei-
genthümlichen Willen dieser, in ihrem misleiteten Gebahren so sonderbar sich
ausnehmenden, mimischen Genossenschaft kann, wie von je die vorzüglich-
sten dramatischen Erscheinungen aus ihr hervorgingen, auch jetzt das von uns
gemeinte vollendete Drama emporwachsen" (GSD IX, 158).
501, 34 „[Über] Staat und Religion"] Im Jahre 1864 verfasste Richard Wagner
für König Ludwig II. seine theoretische Abhandlung Über Staat und Religion
(GSD VIII, 3-37), in der er über das Verhältnis von Kunst und Gesellschaft
reflektiert. Dabei gilt Wagners Interesse allerdings keineswegs der Relation
zwischen Kunst und Gesellschaft generell, vielmehr richtet sich sein Fokus
ganz auf die eigene Musik, für die er optimale Rahmenbedingungen schaffen
wollte, um ihr eine dauerhafte Wirksamkeit zu garantieren. In diesem Sinne
betonte Wagner, „wie ernst ich es eben mit der Kunst meinte; denn in diesem
Ernste liegt gerade der Grund, der mich einst nöthigte, mich auf scheinbar so
weit abliegende Gebiete, wie Staat und Religion, zu begeben. Was ich da such-
te, war wirklich immer nur meine Kunst, - diese Kunst, die ich so ernst erfaßte,
daß ich für sie im Gebiete des Lebens, im Staate, endlich in der Religion, eben
eine berechtigende Grundlage aufsuchte und forderte. Daß ich diese im moder-
nen Leben nicht finden konnte, veranlaßte mich, die Gründe hiervon in meiner
Weise zu erforschen; ich mußte mir die Tendenz des Staates deutlich zu ma-
chen suchen, um aus ihr die Geringschätzung zu erklären, welche ich überall
im öffentlichen Leben für mein ernstes Kunstideal antraf" (GSD VIII, 3-4).
N. reagierte auf Wagners Schrift Über Staat und Religion am 4. August 1869
in einem Brief an Carl von Gersdorff emphatisch: „Nie ist in würdigerer und
philosophischerer Weise zu einem König geredet worden; ich war ganz erho-
ben und erschüttert von dieser Idealität, die durchaus dem Geiste Schopenhau-
ers entsprungen schien" (KSB 3, Nr. 19, S. 36). Am selben Tag schrieb er an
Gustav Krug in ähnlichem Tenor über „ein tiefsinniges Expose, gerichtet an
den ,jungen Freund' den baierischen König, zur Aufklärung desselben über
Wagners Ansichten in ,Staat und Religion'. Niemals ist schöner edler und tiefer
zu einem König gesprochen worden; schade, daß der junge Mann, wie es
scheint, so wenig davon gelernt hat" (KSB 3, Nr. 20, S. 38). Ebenfalls mit aus-
drücklicher Bezugnahme auf Wagners Schrift Über Staat und Religion bezeich-
net N. den Komponisten in einem Brief an Erwin Rohde am 15. August 1869 als
„unzeitgemäß" und begründet diese Einschätzung so: „Ein fruchtbares, rei-
ches, erschütterndes Leben, ganz abweichend und unerhört unter mittleren
Sterblichen! Dafür steht er auch da, festgewurzelt durch eigne Kraft, mit sei-
nem Blick immer drüber hinweg über alles Ephemere, und unzeitgemäß im
ner seine Absicht begründet, Sänger und Schauspieler „in eine Übung ihrer
guten Anlagen zu versetzen, welche sie schnell und entscheidend der Verwirk-
lichung unseres Kunstwerkes dienlich machen würde. Denn nur aus dem ei-
genthümlichen Willen dieser, in ihrem misleiteten Gebahren so sonderbar sich
ausnehmenden, mimischen Genossenschaft kann, wie von je die vorzüglich-
sten dramatischen Erscheinungen aus ihr hervorgingen, auch jetzt das von uns
gemeinte vollendete Drama emporwachsen" (GSD IX, 158).
501, 34 „[Über] Staat und Religion"] Im Jahre 1864 verfasste Richard Wagner
für König Ludwig II. seine theoretische Abhandlung Über Staat und Religion
(GSD VIII, 3-37), in der er über das Verhältnis von Kunst und Gesellschaft
reflektiert. Dabei gilt Wagners Interesse allerdings keineswegs der Relation
zwischen Kunst und Gesellschaft generell, vielmehr richtet sich sein Fokus
ganz auf die eigene Musik, für die er optimale Rahmenbedingungen schaffen
wollte, um ihr eine dauerhafte Wirksamkeit zu garantieren. In diesem Sinne
betonte Wagner, „wie ernst ich es eben mit der Kunst meinte; denn in diesem
Ernste liegt gerade der Grund, der mich einst nöthigte, mich auf scheinbar so
weit abliegende Gebiete, wie Staat und Religion, zu begeben. Was ich da such-
te, war wirklich immer nur meine Kunst, - diese Kunst, die ich so ernst erfaßte,
daß ich für sie im Gebiete des Lebens, im Staate, endlich in der Religion, eben
eine berechtigende Grundlage aufsuchte und forderte. Daß ich diese im moder-
nen Leben nicht finden konnte, veranlaßte mich, die Gründe hiervon in meiner
Weise zu erforschen; ich mußte mir die Tendenz des Staates deutlich zu ma-
chen suchen, um aus ihr die Geringschätzung zu erklären, welche ich überall
im öffentlichen Leben für mein ernstes Kunstideal antraf" (GSD VIII, 3-4).
N. reagierte auf Wagners Schrift Über Staat und Religion am 4. August 1869
in einem Brief an Carl von Gersdorff emphatisch: „Nie ist in würdigerer und
philosophischerer Weise zu einem König geredet worden; ich war ganz erho-
ben und erschüttert von dieser Idealität, die durchaus dem Geiste Schopenhau-
ers entsprungen schien" (KSB 3, Nr. 19, S. 36). Am selben Tag schrieb er an
Gustav Krug in ähnlichem Tenor über „ein tiefsinniges Expose, gerichtet an
den ,jungen Freund' den baierischen König, zur Aufklärung desselben über
Wagners Ansichten in ,Staat und Religion'. Niemals ist schöner edler und tiefer
zu einem König gesprochen worden; schade, daß der junge Mann, wie es
scheint, so wenig davon gelernt hat" (KSB 3, Nr. 20, S. 38). Ebenfalls mit aus-
drücklicher Bezugnahme auf Wagners Schrift Über Staat und Religion bezeich-
net N. den Komponisten in einem Brief an Erwin Rohde am 15. August 1869 als
„unzeitgemäß" und begründet diese Einschätzung so: „Ein fruchtbares, rei-
ches, erschütterndes Leben, ganz abweichend und unerhört unter mittleren
Sterblichen! Dafür steht er auch da, festgewurzelt durch eigne Kraft, mit sei-
nem Blick immer drüber hinweg über alles Ephemere, und unzeitgemäß im