554 Richard Wagner in Bayreuth
schönsten Sinne. Da hat er mir kürzlich ein Manuscript gegeben ,über Staat
und Religion', bestimmt als Memoire an den jungen Baiernkönig, von einer
Höhe und Zeitentrücktheit, von einem Edelsinn und Schopenhauerischem
Ernst, daß ich König zu sein wünschte, um solche Ermahnungen zu bekom-
men" (KSB 3, Nr. 22, S. 42).
502, 4 „Oper und Drama"] In der Schrift Oper und Drama (1851) entfaltet Wag-
ner sein Konzept der Oper besonders ausführlich und kritisiert zugleich die
Opern-Tradition. Seine eigenen Vorstellungen dazu erläutert er in dem Text
Eine Mittheilung an meine Freunde: „In meiner neuesten schriftstellerischen
Arbeit: ,0per und Drama', zeigte ich nun, bestimmter auf den rein künstleri-
schen Gegenstand eingehend, wie die Oper bisher irrthümlich von Kritikern
und Künstlern für das Kunstwerk angesehen worden sei, in welchem die Kei-
me, oder gar die Vollendung des von mir gemeinten Kunstwerkes der Zukunft
bereits zur Erscheinung gekommen wären; und wies nach, daß nur aus der
vollständigen Umkehrung des bisherigen künstlerischen Verfahrens bei der
Oper einzig das Richtige geleistet werden könnte, indem ich hierbei das Ergeb-
niß meiner eigenen künstlerischen Erfahrungen meiner Darstellung des ver-
nünftigen und allein zweckmäßigen Verhältnisses zwischen Dichter und Musi-
ker zu Grunde legte" (GSD IV, 335).
502, 27 - 503, 8 alle die Freunde und Feinde, mit welchen Wagner als Schrift-
steller sich einlässt, haben etwas Gemeinsames, was sie gründlich von jenem
Volke abtrennt, für welches er als Künstler schafft. Sie sind in der Verfeinerung
und Unfruchtbarkeit ihrer Bildung durchaus unvolksthümlich und Der, wel-
cher von ihnen verstanden werden will, muss unvolksthümlich reden: so wie diess
unsere besten Prosa-Schriftsteller gethan haben, so wie es auch Wagner thut. [...]
Er unterwirft sich der Sprache der Bildung und allen Gesetzen ihrer Mittheilung,
ob er schon der Erste gewesen ist, welcher das tiefe Ungenügen dieser Mitthei-
lung empfunden hat.] Besonders deutlich bringt Wagner dieses „Ungenügen"
an seinen theoretischen Schriften und sein Unbehagen in der Abhandlung „Zu-
kunftsmusik" (1860) zum Ausdruck. Zugleich charakterisiert er sie als einen
krisenbedingten Notbehelf. Wagner bekundet seinen inneren Widerstand ge-
genüber der Aussicht, noch einmal „das Labyrinth theoretischer Spekulation in
rein abstrakter Form durchwandern zu sollen", und konstatiert: „an der großen
Abneigung, die mich gegenwärtig selbst nur von einer Wiederdurchlesung mei-
ner theoretischen Schriften abhält, darf ich erkennen, daß ich mich damals,
als ich jene Arbeiten verfaßte, in einem durchaus abnormen Zustande befand".
Und Wagner fährt fort: „[...] im Künstler ist aber der darstellende Trieb seiner
Natur nach durchaus unbewußt, instinktiv"; „für die entscheidende Wahl sei-
ner Ausdrucksmittel" sei „nicht eigentlich die Reflexion, sondern immer mehr
schönsten Sinne. Da hat er mir kürzlich ein Manuscript gegeben ,über Staat
und Religion', bestimmt als Memoire an den jungen Baiernkönig, von einer
Höhe und Zeitentrücktheit, von einem Edelsinn und Schopenhauerischem
Ernst, daß ich König zu sein wünschte, um solche Ermahnungen zu bekom-
men" (KSB 3, Nr. 22, S. 42).
502, 4 „Oper und Drama"] In der Schrift Oper und Drama (1851) entfaltet Wag-
ner sein Konzept der Oper besonders ausführlich und kritisiert zugleich die
Opern-Tradition. Seine eigenen Vorstellungen dazu erläutert er in dem Text
Eine Mittheilung an meine Freunde: „In meiner neuesten schriftstellerischen
Arbeit: ,0per und Drama', zeigte ich nun, bestimmter auf den rein künstleri-
schen Gegenstand eingehend, wie die Oper bisher irrthümlich von Kritikern
und Künstlern für das Kunstwerk angesehen worden sei, in welchem die Kei-
me, oder gar die Vollendung des von mir gemeinten Kunstwerkes der Zukunft
bereits zur Erscheinung gekommen wären; und wies nach, daß nur aus der
vollständigen Umkehrung des bisherigen künstlerischen Verfahrens bei der
Oper einzig das Richtige geleistet werden könnte, indem ich hierbei das Ergeb-
niß meiner eigenen künstlerischen Erfahrungen meiner Darstellung des ver-
nünftigen und allein zweckmäßigen Verhältnisses zwischen Dichter und Musi-
ker zu Grunde legte" (GSD IV, 335).
502, 27 - 503, 8 alle die Freunde und Feinde, mit welchen Wagner als Schrift-
steller sich einlässt, haben etwas Gemeinsames, was sie gründlich von jenem
Volke abtrennt, für welches er als Künstler schafft. Sie sind in der Verfeinerung
und Unfruchtbarkeit ihrer Bildung durchaus unvolksthümlich und Der, wel-
cher von ihnen verstanden werden will, muss unvolksthümlich reden: so wie diess
unsere besten Prosa-Schriftsteller gethan haben, so wie es auch Wagner thut. [...]
Er unterwirft sich der Sprache der Bildung und allen Gesetzen ihrer Mittheilung,
ob er schon der Erste gewesen ist, welcher das tiefe Ungenügen dieser Mitthei-
lung empfunden hat.] Besonders deutlich bringt Wagner dieses „Ungenügen"
an seinen theoretischen Schriften und sein Unbehagen in der Abhandlung „Zu-
kunftsmusik" (1860) zum Ausdruck. Zugleich charakterisiert er sie als einen
krisenbedingten Notbehelf. Wagner bekundet seinen inneren Widerstand ge-
genüber der Aussicht, noch einmal „das Labyrinth theoretischer Spekulation in
rein abstrakter Form durchwandern zu sollen", und konstatiert: „an der großen
Abneigung, die mich gegenwärtig selbst nur von einer Wiederdurchlesung mei-
ner theoretischen Schriften abhält, darf ich erkennen, daß ich mich damals,
als ich jene Arbeiten verfaßte, in einem durchaus abnormen Zustande befand".
Und Wagner fährt fort: „[...] im Künstler ist aber der darstellende Trieb seiner
Natur nach durchaus unbewußt, instinktiv"; „für die entscheidende Wahl sei-
ner Ausdrucksmittel" sei „nicht eigentlich die Reflexion, sondern immer mehr