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Neymeyr, Barbara; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 1,4): Kommentar zu Nietzsches "Unzeitgemässen Betrachtungen": III. Schopenhauer als Erzieher, IV. Richard Wagner in Bayreuth — Berlin, Boston: de Gruyter, 2020

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https://doi.org/10.11588/diglit.69928#0588
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Stellenkommentar UB IV WB 10, KSA 1, S. 504 561

hohen Meinung, welche der geistvolle Geschichtsschreiber [sc. Th. Carlyle] von
der Bestimmung des deutschen Volkes und seines Geistes der Wahrhaftigkeit
kundgiebt, dürfte es nämlich als kein leerer Trost erscheinen, daß wir die ,he-
roischen Weisen', welche er zur Abkürzung der Zeiten der grauenhaften Welt-
anarchie aufruft, in diesem deutschen Volke, welchem durch seine vollbrachte
Reformation eine Nöthigung zur Theilnahme an der Revolution erspart zu
sein scheint, als urvorbestimmt geboren erkennen" (GSD III, 2-7). Zur Thema-
tik der Revolution vgl. ausführlicher NK 448, 4-10; 451, 14-18; 475, 10-11; 476,
8-9; 504, 18-21; 508, 29-33.
504, 31-32 die Symbolik seines Kaisermarsches] Nach dem Sieg im deutsch-
französischen Krieg 1870/71 wurde Wilhelm I. von Preußen zum Kaiser des
neukonstituierten Deutschen Reiches proklamiert. Durch diese politischen Ent-
wicklungen reduzierte sich der Einfluss des bayerischen Königs Ludwig II.,
dem Wagner weitreichende ökonomische Unterstützung verdankte. Mit strate-
gischem Kalkül versuchte sich Wagner nun dem neuen Kaiser Wilhelm I. zuzu-
wenden. In Berlin reagierte man allerdings skeptisch auf Wagners Annäherung
und lehnte sein Angebot ab, einen Trauermarsch für die Gefallenen oder eine
Nationalhymne zu komponieren. Um der Öffentlichkeit dennoch seine politi-
sche Einstellung zu demonstrieren, komponierte Wagner zwischen Februar
und März 1871 in Tribschen den Kaiser-Marsch („Heil! Heil dem Kaiser, König
Wilhelm") in B-Dur (Wagner-Werk-Verzeichnis Nr. 104), dessen Uraufführung
am 14. April 1871 in Anwesenheit des Kaisers Wilhelm I. in Berlin stattfand.
Der Kaiser-Marsch erklang später auch am 22. Mai 1872 zur Grundsteinlegung
für den Bau des Bayreuther Festspielhauses, die an Wagners 59. Geburtstag
stattfand. Als vergeblich erwies sich jedoch seine Hoffnung, diese Komposition
könne zum Krönungsmarsch und zur neuen Reichshymne avancieren.
In einem nachgelassenen Fragment deutet N. Wagners Kaiser-Marsch als
Symbol für „das National-Deutsche"; hier schreibt er über Wagner: „Er
sucht für das Kommende im Gewesenen die Analogien, so erscheint ihm das
Deutsche Luthers, Beethovens und seiner selbst, das Deutsche und seine gro-
ßen Fürsten, als Bürgschaften, daß etwas Analoges von dem, was er für nöthig
in der Zukunft hält, einmal da war; Tapferkeit Treue Schlichtheit Güte Aufopfe-
rung, wie er alles dies in der herrlichen Symbolik seines ,Kaisermarsches' zu-
sammengesagt hat - das ist sein Deutschthum" (NL 1875, 11 [4], KSA 8, 190-
191). - Für N. behielt der Kaiser-Marsch sogar nach der entschiedenen Distan-
zierung von Wagner eine persönliche Bedeutung. So teilte N. seiner Mutter so-
gar noch am 5. Januar 1886 in einem Brief Folgendes mit: „,Herr Z<iller> wie
Du schreibst, will den Klavierauszug des Kaisermarsches [...] kaufen'? [...]
Übrigens möchte ich ihn behalten, es ist Musik, die ich immer noch sehr lie-
be. - Die Partitur des Kaisermarsches, die ich besitze, ist ja nicht zu verkau-
 
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