Stellenkommentar UB IV WB 11, KSA 1, S. 509 577
erst sein und Werthe zerbrechen. / Also gehört das höchste Böse zur höchsten
Güte: diese aber ist die schöpferische" (KSA 4, 149, 13-21). Obwohl Also sprach
Zarathustra I/II erst 1883 erschien, also sieben Jahre nach UB IV WB, lassen
sich aufschlussreiche Strukturanalogien zu Machtkonstellationen feststellen,
die N. bereits in UB IV WB reflektiert, und zwar im Hinblick auf die von Macht-
gier bestimmte Mentalität von Protagonisten in Opern Richard Wagners.
Die späten Projektpläne N.s zum ,Willen zur Macht' kommen in zahlreichen
nachgelassenen Notaten seiner letzten Schaffensjahre zum Ausdruck, die
Elisabeth Förster-Nietzsche nach dem Tod ihres Bruders heranzog, um ihre
(über den tatsächlichen Status dieser Nachlass-Notate täuschende) Kompilati-
on dann fälschlich als N.s Hauptwerk auszugeben. Sie veröffentlichte diese
Nachlass-Materialien 1901 gemeinsam mit Heinrich Köselitz (alias Peter Gast)
unter dem Namen N.s mit dem Titel Nachgelassene Werke. Der Wille zur Macht.
Versuch einer Umwerthung aller Werthe (Studien und Fragmente.) In diesem
Buch finden sich im dritten Teil „Princip einer neuen Werthsetzung" u. a. auch
Kapitel mit den Überschriften „Der Wille zur Macht als Erkenntniss", „Der Wil-
le zur Macht in der Natur" und „Der Wille zur Macht als Moral" sowie „Das
aristokratische Ideal" im vierten Teil „Zucht und Züchtung" (vgl. ebd., V-VI).
Akzentsetzungen dieser Art trugen in der Wirkungsgeschichte (ganz im Sinne
von N.s Schwester) nachhaltig zur ideologischen Vereinnahmung N.s für fa-
schistische und nationalsozialistische Programmatik bei (vgl. dazu die umfas-
sende Dokumentation von Aschheim 1996, 251-328, 336-352). - Drei Jahre nach
der Publikation dieses Buches beendet Elisabeth Förster-Nietzsche ihre drei-
bändige Biographie Das Leben Friedrich Nietzsche's mit dem symptomatischen
„Bekenntniß Peter Gast's am Grabe Nietzsche's", das mit dem Wunsch ab-
schließt: „Heilig sei Dein Name allen kommenden Geschlechtern!" (Förster-
Nietzsche 1904, Bd. 11/2, 933) und damit bereits einen geradezu hagiographi-
schen N.-Kult signalisiert. - Zur Thematik des ,Willens zur Macht' bei N. gene-
rell vgl. die einschlägigen Abhandlungen von Volker Gerhardt 1996 und Günter
Abel, 2. Aufl. 1998. Vgl. außerdem Volker Gerhardt 1981/82, 193-221.
509, 28-29 „trauernder Liebe tiefstes Leid schloss die Augen mir auf."] Vgl.
dazu Richard Wagners Götterdämmerung (3. Aufzug): „[...] Alles Ew'gen / sel'-
ges Ende, / wiss't ihr, wie ich's gewann? / Trauernder Liebe / tiefstes Leiden /
schloß die Augen mir auf: / enden sah ich die Welt" (GSD VI, 256). Bei der
musikalischen Aufführung der Götterdämmerung wurde diese Variante der
Strophe allerdings weggelassen. Wagner greift hier auf Prämissen von Scho-
penhauers Willensmetaphysik zurück: auf die Verneinung des individuellen
Willens zum Leben und das Ideal einer Liebe, die das mit dem Willen verbun-
dene Leiden aufhebt. Sie eröffnet nach Wagners Vorstellung die Aussicht auf
eine allgemeine Welterlösung.
erst sein und Werthe zerbrechen. / Also gehört das höchste Böse zur höchsten
Güte: diese aber ist die schöpferische" (KSA 4, 149, 13-21). Obwohl Also sprach
Zarathustra I/II erst 1883 erschien, also sieben Jahre nach UB IV WB, lassen
sich aufschlussreiche Strukturanalogien zu Machtkonstellationen feststellen,
die N. bereits in UB IV WB reflektiert, und zwar im Hinblick auf die von Macht-
gier bestimmte Mentalität von Protagonisten in Opern Richard Wagners.
Die späten Projektpläne N.s zum ,Willen zur Macht' kommen in zahlreichen
nachgelassenen Notaten seiner letzten Schaffensjahre zum Ausdruck, die
Elisabeth Förster-Nietzsche nach dem Tod ihres Bruders heranzog, um ihre
(über den tatsächlichen Status dieser Nachlass-Notate täuschende) Kompilati-
on dann fälschlich als N.s Hauptwerk auszugeben. Sie veröffentlichte diese
Nachlass-Materialien 1901 gemeinsam mit Heinrich Köselitz (alias Peter Gast)
unter dem Namen N.s mit dem Titel Nachgelassene Werke. Der Wille zur Macht.
Versuch einer Umwerthung aller Werthe (Studien und Fragmente.) In diesem
Buch finden sich im dritten Teil „Princip einer neuen Werthsetzung" u. a. auch
Kapitel mit den Überschriften „Der Wille zur Macht als Erkenntniss", „Der Wil-
le zur Macht in der Natur" und „Der Wille zur Macht als Moral" sowie „Das
aristokratische Ideal" im vierten Teil „Zucht und Züchtung" (vgl. ebd., V-VI).
Akzentsetzungen dieser Art trugen in der Wirkungsgeschichte (ganz im Sinne
von N.s Schwester) nachhaltig zur ideologischen Vereinnahmung N.s für fa-
schistische und nationalsozialistische Programmatik bei (vgl. dazu die umfas-
sende Dokumentation von Aschheim 1996, 251-328, 336-352). - Drei Jahre nach
der Publikation dieses Buches beendet Elisabeth Förster-Nietzsche ihre drei-
bändige Biographie Das Leben Friedrich Nietzsche's mit dem symptomatischen
„Bekenntniß Peter Gast's am Grabe Nietzsche's", das mit dem Wunsch ab-
schließt: „Heilig sei Dein Name allen kommenden Geschlechtern!" (Förster-
Nietzsche 1904, Bd. 11/2, 933) und damit bereits einen geradezu hagiographi-
schen N.-Kult signalisiert. - Zur Thematik des ,Willens zur Macht' bei N. gene-
rell vgl. die einschlägigen Abhandlungen von Volker Gerhardt 1996 und Günter
Abel, 2. Aufl. 1998. Vgl. außerdem Volker Gerhardt 1981/82, 193-221.
509, 28-29 „trauernder Liebe tiefstes Leid schloss die Augen mir auf."] Vgl.
dazu Richard Wagners Götterdämmerung (3. Aufzug): „[...] Alles Ew'gen / sel'-
ges Ende, / wiss't ihr, wie ich's gewann? / Trauernder Liebe / tiefstes Leiden /
schloß die Augen mir auf: / enden sah ich die Welt" (GSD VI, 256). Bei der
musikalischen Aufführung der Götterdämmerung wurde diese Variante der
Strophe allerdings weggelassen. Wagner greift hier auf Prämissen von Scho-
penhauers Willensmetaphysik zurück: auf die Verneinung des individuellen
Willens zum Leben und das Ideal einer Liebe, die das mit dem Willen verbun-
dene Leiden aufhebt. Sie eröffnet nach Wagners Vorstellung die Aussicht auf
eine allgemeine Welterlösung.