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Schmidt, Jochen; Kaufmann, Sebastian; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 3,1): Kommentar zu Nietzsches "Morgenröthe" — Berlin, Boston: de Gruyter, 2015

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https://doi.org/10.11588/diglit.70911#0084
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Stellenkommentar Vorrede, KSA 3, S. 11-13 69

und Böse. Paul Ree hatte an den Beginn seiner für N. wichtigen Schrift Der
Ursprung der moralischen Empfindungen (1877) die Erörterung der Begriffe
„Gut" und „Böse" gestellt. N. wies der Subversion der moralischen Wertungen
„Gut" und „Böse" auch im Zarathustra eine leitmotivisch markierte Funktion
zu. Vgl. den Kommentar im Kapitel „Der Stellenwert der Morgenröthe in Nietz-
sches Werk", S. 29 f.
12, 25-28 in Gegenwart der Moral soll eben, wie Angesichts jeder Autorität,
nicht gedacht, noch weniger geredet werden: hier wird - gehorcht!] In Μ 207
charakterisiert N. insbesondere das „Verhalten der Deutschen zur Moral" als
ein „Gehorchen", das auch sonst zu ihren hervorstechenden Verhaltensweisen
gehöre.
13, 11 unsere Anarchisten] Max Stirner (1806-1856) vertrat in seinem Werk Der
Einzige und sein Eigentum (1845) einen individualistischen Anarchismus; mit
seinem Insistieren auf dem ganz und gar „Eigenen" und mit seiner Ablehnung
einer überindividuell gültigen Moral weist N. deutliche Affinitäten hierzu auf.
Auch Pierre Joseph Proudhon (1809-1865) propagierte einen individualisti-
schen Anarchismus, den er allerdings mit syndikalistischen Strukturelementen
verband. Michail Alexandrowitsch Bakunin (1814-1876) begründete einen kom-
munistischen Anarchismus. Er sollte nach der Beseitigung des Privateigentums
eine kollektive Ordnung ermöglichen, in die sich der Einzelne freiwillig ein-
fügt. Bakunin schuf auch die erste internationale revolutionär-anarchistische
Organisation. Viele seiner Anhänger nahmen 1871 am Aufstand der Pariser
Kommune teil. Gewaltbereite Anarchisten, so eine Gruppe um Pjotr Alexeje-
witsch Kropotkin, unternahmen Attentate auf Staatsmänner.
Mit anarchistischen Vorstellungen war N. erstmals durch Wagner bekannt-
geworden. Dieser hatte sich in seiner frühen Zeit zu einem revolutionären
Anarchismus bekannt und in seiner 1851 erschienenen Schrift Oper und Drama
die Losung „Den Staat vernichten" (GSD IV, 67) ausgegeben, die N. wörtlich
übernahm: „Die Kunst hat die Aufgabe, den Staat zu vernichten", lautet ein
nachgelassenes Notat (NL 1869/70, 3[11], KSA 7, 62, 18). Später, am schärfsten
in der Götzen-Dämmerung (dort in GD ,Streifzüge eines Unzeitgemäßen' 34,
KSA 6, 132-133) attackiert N. den zeitgenössischen Anarchismus. Vgl. auch NK
6/1, 132, 17.
13, 12 f. wie moralisch reden sie, um uns zu überreden! Zuletzt heissen sie sich
selbst noch gar „die Guten und Gerechten".] Die in Anführungszeichen gesetzte
Formel „die Guten und Gerechten" nimmt N. häufig auf, um die ,moralische'
Selbstgerechtigkeit als pharisäische Heuchelei darzustellen. In NL 1882/1883,
KSA 10, 4[40-43], 120 f. heißt es, schon im Zarathustra-Ton: „Es gab einmal
einen alten rechtschaffenen Gott [...] Was that dieser alte rechtschaffne Gott?
 
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