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Schmidt, Jochen; Kaufmann, Sebastian; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 3,1): Kommentar zu Nietzsches "Morgenröthe" — Berlin, Boston: de Gruyter, 2015

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https://doi.org/10.11588/diglit.70911#0529
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514 Idyllen aus Messina

526, 24-26) Das Gedicht gestaltet diese attrahierende Wirkung des Mannes auf
das „Mädchen" im Bild der glühenden Leuchtturm-Flamme, der das Schiff
folgt. Der N.-Leser Freud bemerkt in seinen Vorlesungen zur Einführung in die
Psychoanalyse über die symbolische Traumbedeutung der Flamme: „Stets ist
die Flamme ein männliches Genitale" (Freud 2000, 171).
Dass das ,Mädchen-Schiff sich selbst als „ein Lämmchen" bezeichnet, ruft
zum einen den religiösen Kontext auf, in den auch der Name „Engelchen" so-
wie die unterschwellige Anknüpfung an das allegorische Marien-Schiff gehört:
Das „Lämmchen" verweist (wie auch in „Pia, caritatevole, amorosissima") auf
das „Lamm Gottes" (Agnus Del), als das sich Christus zur Vergebung der Sün-
den geopfert hat, und damit auf unschuldige Reinheit. Im Zusammenhang des
Gedichts erscheint dies allerdings als ironisch-blasphemische Umkehrung,
fühlt sich dieses ,unschuldige' (einfältige) „Lämmchen" doch auf unwidersteh-
liche Weise sexuell von Männern angezogen. Zum anderen eröffnet die Selbst-
bezeichnung als „Lämmchen" eine Reihe von Tiervergleichen, die in der fol-
genden (4.) und 7. Strophe kontrastierend fortgesetzt wird: Das „Lämmchen"
erweist sich zugleich als „ein Hündchen" (336, 23) und als „ein Kätzchen" (337,
12) - und keineswegs als unschuldig.
336, 23-25 Glaubt ihr wohl, dass wie ein Hündchen / Bell'n ich kann und dass
mein Mündchen I Dampf und Feuer wirft um sich?] Auf der Bildebene des Schiffs
ergibt sich aus diesen Versen, dass es sich nicht um ein bloßes Segelschiff,
sondern um einen Dampfer mit Briggtakelung handelt (vgl. NK 336, 6). Auf der
metaphorischen Bedeutungsebene des Mädchens signalisiert die Frage einen
Umschwung: Das angriffslustig bellende, ,feuerspeiende' „Hündchen" tritt an
die Stelle des folgsam-naiven „Lämmchens" und leitet über zur lyrischen Nar-
ration der (ironisch getönten) tragischen Liebesgeschichte in den folgenden
beiden Strophen. Sie erzählen, wie das Mädchen durch schuldhafte Verstri-
ckung den Liebes-Tod fand, bevor seine Seele schließlich in das Schiff über-
ging.
336, 26 Ach, des Teufels ist mein Mündchen!] Überleitung zur nächsten Stro-
phe, die das „bitterböse[] Wörtchen" thematisiert (337, 2), an dem der Geliebte
zugrunde gegangen ist. Durch die Nennung des Teufels entsteht ein auffälliger
Kontrast zur folgenden, am Anfang jeder Strophe refrainartig wiederholten
Verszeile „Engelchen: so nennt man mich -"; das Mädchen-Schiff erscheint
durch diese Assoziation mit dem Teufel eher als ,gefallener Engel'.
337, 2-4 Sprach ein bitterböses Wörtchen / Einst, dass schnell zum letzten Oert-
chen / Mein Geliebtester entwich] Um welches „Wörtchen" es sich handelt, wird
nicht klar; fest steht aber, dass es den Geliebten tödlich verletzt hat - das „letz-
te Oertchen" umschreibt als euphemistische Adjektivmetapher das Grab (und
 
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