50 Die fröhliche Wissenschaft
eben die Correctur meines letzten Buches zu besorgen; es führt den Titel ,die
fröhl. W(issenschaft') und bildet den Schluß jener Gedanken-Kette, welche ich
damals in Sorrent [im Winter 1876/77 begann N. dort mit der Arbeit an MA I]
zu knüpfen anfieng [...] Die nächsten Jahre werden keine Bücher hervorbrin-
gen - aber ich will wieder, wie ein Student, studiren. (Zunächst in Wien.) /
Mein Leben gehört jetzt einem höheren Ziele und ich thue nichts mehr, was
dem nicht frommt." (KSB 6/KGB III 1, Nr. 264, S. 223, Z. 8-18) Um was für ein
höheres Ziel es sich handelt und welche Studieninhalte zu ihm führen sollen,
darüber hüllt sich N. in geheimnistuerisches Schweigen: „Errathen kann es
Keiner und verrathen darf (ich) es jetzt selber noch nicht!" (Ebd., 18 f.)
Lou Andreas-Salome meinte später in ihrer Werkbiographie Friedrich Nietz-
sche in seinen Werken präzisieren zu können, dass N. nach „der Vollendung der
,Fröhlichen Wissenschaft' [...] den Entschluss" gefasst habe, „sich zehn Jahre
lang aller schriftstellerischen Thätigkeit zu enthalten. In dieser Zeit tiefsten
Schweigens wollte er seine neue, dem Mystischen sich zuwendende Philoso-
phie auf ihre Richtigkeit prüfen und dann 1892 als ihr Verkündiger auftreten"
(Andreas-Salome 1894, 10). Wie dem auch sei, jedenfalls teilt N. nicht nur Mal-
wida von Meysenbug, sondern ebenfalls Erwin Rohde um diese Zeit den - we-
nige Wochen später schon wieder verworfenen - Entschluss mit, dass FW „das
letzte [Buch] für eine lange Reihe von Jahren sein soll: - denn im Herbst gehe
ich an die Universität Wien und fange neue Studentenjahre an" (Mitte Juli
1882, KSB 6/KGB III 1, Nr. 267, S. 226, Z. 4-7). Am Ende desselben Briefs warnt
er Rohde schließlich sogar vor dem Selbstbildnis (als ,fertiggewordener' „freier
Geist"?), das FW enthalte: „Namentlich dieses letzte Buch, welches den Titel
führt ,die fröhliche Wissenschaft' wird Viele vor mir zurückschrecken, auch
Dich vielleicht, lieber alter Freund Rohde! Es ist ein Bild von mir darin; und
ich weiß bestimmt, daß es nicht das Bild ist, welches Du von mir im Herzen
trägst." (Ebd., S. 227, Z. 36-40)
Einen starken Zusammenhang zwischen FW und seiner persönlichen Exis-
tenz erwähnt N. auch gegenüber anderen Freunden wie Jacob Burckhardt,
Franz Overbeck bzw. dessen Frau und Paul Ree, denen er im Spätsommer 1882
Freiexemplare des neuen Werks zukommen lässt. Dabei macht N. insbesondere
auf das Vierte und zugleich letzte Buch dieser Erstausgabe aufmerksam. Offen-
sichtlich misst er zu diesem Zeitpunkt dem Vierten Buch eine besondere Be-
deutung zu, die mit dem FW insgesamt zugeschriebenen zäsuralen Charakter
einhergeht; im Brief an Overbeck vom 9. September 1882 spricht er geradezu
davon, mit Sanctus Januarius „einen Wendekreis" überschritten zu haben
(KSB 6/KGB III 1, Nr. 301, S. 255, Z. 17), ohne auch dies allerdings näher zu
erläutern. An Ree wiederum schreibt er, es handle sich bei dem Vierten und
(vorerst) letzten Buch von FW um „meine Privat-Moral [...] als die Summe
eben die Correctur meines letzten Buches zu besorgen; es führt den Titel ,die
fröhl. W(issenschaft') und bildet den Schluß jener Gedanken-Kette, welche ich
damals in Sorrent [im Winter 1876/77 begann N. dort mit der Arbeit an MA I]
zu knüpfen anfieng [...] Die nächsten Jahre werden keine Bücher hervorbrin-
gen - aber ich will wieder, wie ein Student, studiren. (Zunächst in Wien.) /
Mein Leben gehört jetzt einem höheren Ziele und ich thue nichts mehr, was
dem nicht frommt." (KSB 6/KGB III 1, Nr. 264, S. 223, Z. 8-18) Um was für ein
höheres Ziel es sich handelt und welche Studieninhalte zu ihm führen sollen,
darüber hüllt sich N. in geheimnistuerisches Schweigen: „Errathen kann es
Keiner und verrathen darf (ich) es jetzt selber noch nicht!" (Ebd., 18 f.)
Lou Andreas-Salome meinte später in ihrer Werkbiographie Friedrich Nietz-
sche in seinen Werken präzisieren zu können, dass N. nach „der Vollendung der
,Fröhlichen Wissenschaft' [...] den Entschluss" gefasst habe, „sich zehn Jahre
lang aller schriftstellerischen Thätigkeit zu enthalten. In dieser Zeit tiefsten
Schweigens wollte er seine neue, dem Mystischen sich zuwendende Philoso-
phie auf ihre Richtigkeit prüfen und dann 1892 als ihr Verkündiger auftreten"
(Andreas-Salome 1894, 10). Wie dem auch sei, jedenfalls teilt N. nicht nur Mal-
wida von Meysenbug, sondern ebenfalls Erwin Rohde um diese Zeit den - we-
nige Wochen später schon wieder verworfenen - Entschluss mit, dass FW „das
letzte [Buch] für eine lange Reihe von Jahren sein soll: - denn im Herbst gehe
ich an die Universität Wien und fange neue Studentenjahre an" (Mitte Juli
1882, KSB 6/KGB III 1, Nr. 267, S. 226, Z. 4-7). Am Ende desselben Briefs warnt
er Rohde schließlich sogar vor dem Selbstbildnis (als ,fertiggewordener' „freier
Geist"?), das FW enthalte: „Namentlich dieses letzte Buch, welches den Titel
führt ,die fröhliche Wissenschaft' wird Viele vor mir zurückschrecken, auch
Dich vielleicht, lieber alter Freund Rohde! Es ist ein Bild von mir darin; und
ich weiß bestimmt, daß es nicht das Bild ist, welches Du von mir im Herzen
trägst." (Ebd., S. 227, Z. 36-40)
Einen starken Zusammenhang zwischen FW und seiner persönlichen Exis-
tenz erwähnt N. auch gegenüber anderen Freunden wie Jacob Burckhardt,
Franz Overbeck bzw. dessen Frau und Paul Ree, denen er im Spätsommer 1882
Freiexemplare des neuen Werks zukommen lässt. Dabei macht N. insbesondere
auf das Vierte und zugleich letzte Buch dieser Erstausgabe aufmerksam. Offen-
sichtlich misst er zu diesem Zeitpunkt dem Vierten Buch eine besondere Be-
deutung zu, die mit dem FW insgesamt zugeschriebenen zäsuralen Charakter
einhergeht; im Brief an Overbeck vom 9. September 1882 spricht er geradezu
davon, mit Sanctus Januarius „einen Wendekreis" überschritten zu haben
(KSB 6/KGB III 1, Nr. 301, S. 255, Z. 17), ohne auch dies allerdings näher zu
erläutern. An Ree wiederum schreibt er, es handle sich bei dem Vierten und
(vorerst) letzten Buch von FW um „meine Privat-Moral [...] als die Summe