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Kaufmann, Sebastian; Nietzsche, Friedrich; Walter de Gruyter GmbH & Co. KG [Mitarb.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 3,2, 1. Teilband): Kommentar zu Nietzsches "Die fröhliche Wissenschaft" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2022

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https://doi.org/10.11588/diglit.73066#0075
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52 Die fröhliche Wissenschaft

ein „kleines Buch [...] - mein Bestes", das im Manuskript schon abgeschlos-
sen sei, jetzt „druckfertig zu machen" (ebd., S. 321, Z. 28-30).
Dies zeigt, dass N., entgegen anderslautenden Plänen schriftstellerischer
Enthaltsamkeit, nach FW nahtlos die Arbeit an Za I aufgenommen hatte. Streng
genommen müsste man sagen: fortgesetzt. Denn FW, die ihrerseits ursprüng-
lich als Fortsetzung von Μ unter gleichem Titel geplant war und auch später
oft noch von N. im selben Atemzug mit Μ genannt wurde, geht ja selbst schon
unmittelbar in Za über, dessen Anfang beinahe wortgleich am Ende des Vierten
Buchs steht; nur der „See Urmi" (FW 342, 571, 3) wird zum „See seiner Heimat"
(Za I Vorrede 1, KSA 4, 11, 4). Bildet der Abschnitt FW 342, mit dem die erste
Ausgabe endet, dergestalt eine Art Teaser oder Cilffhanger, der das nachfolgen-
de Werk ankündigt, so enthält der vorletzte Abschnitt FW 341 überdies eine
erste veröffentlichte Gestaltung des Gedankens der ,ewigen Wiederkunft des
Gleichen', als dessen ,Lehrer' wenig später die Zarathustra-Figur auftritt. Darü-
ber hinaus ist FW aber auch entstehungsgeschichtlich mit Za verklammert, in-
sofern Zarathustra bereits „in zwei Heften aus dem Herbst 1881, die Vorstufen
zu einigen Abschnitten der Fröhlichen Wissenschaft bilden, als Protagonist von
Sentenzen und Anekdoten" in Erscheinung tritt (Venturelli 2003, 110; vgl. aus-
führlich auch schon Montinari 1982, 80-91). N. entschied sich dann doch, Zara-
thustra als Protagonisten nur im Schluss-Abschnitt der Erstausgabe auftreten
zu lassen.
Gleichwohl folgt daraus, dass FW in der Fassung von 1882 nicht bloß als
abschließender Baustein des seit 1876/77 entstandenen ,freigeistigen' Werk-
ensembles zu betrachten ist, so als gäbe es zwischen dieser Schaffensphase und
der Za-Phase eine feste, undurchlässige Grenze - das Gegenteil ist der Fall.
Ungeachtet seiner Rede vom endgültigen Abschluss der „Freigeisterei" mit FW,
hat N. selbst wenig später die Kontinuität zwischen den ,freigeistigen' Werken
und Za scharf, vielleicht sogar überscharf profiliert. So schreibt er Anfang Mai
in einem Brief an Resa von Schirnhofer: „Bitte, lesen Sie die [,Morgenröthe']
und ebenso ,die fröhliche Wissenschaft' - beide Bücher sind überdies Einlei-
tungen und Commentare zu meinem Zarathustra." (KSB 6/KGB III 1, Nr. 510,
S. 502, Z. 12-15) Ähnlich äußert er sich auch im Brief an Overbeck vom 7. April
1884: „Beim Durchlesen von ,Morgenröthe' und ,fröhlicher Wissenschaft' fand
ich übrigens, daß darin fast keine Zeile steht, die nicht als Einleitung, Vorberei-
tung und Commentar zu genanntem Zarathustra dienen kann. Es ist eine
Thatsache, daß ich den Commentar vor dem Text gemacht habe" (KSB 6/
KGB III 1, Nr. 504, S. 496, Z. 78-82). Vor allem FW als „Einleitung" und „Vorbe-
reitung" zu Za hinzustellen, erscheint - einmal abgesehen von der Frage, wel-
che wenigen „Zeile[n]" davon ausgenommen bleiben - noch halbwegs nach-
vollziehbar. Aber inwiefern FW als vorausgeschickter „Commentar" zu Za
 
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