Überblickskommentar 67
aus der heraus Nietzsche erst fest in sein Schicksal kommt", geschehe dagegen
in FW (HGA 6/1, 234). Da sich Heidegger im zitierten Kapitel mehr für die ,ewi-
ge Wiederkunft' als für den ,Tod Gottes' interessiert, thematisiert er hier nicht
FW 125, sondern FW 341 (und FW 342) als „Nietzsches erste Mitteilung der
Wiederkunftslehre" (ebd., 238).
Die eigentliche Aufwertung von FW als eigenständigem Werk ereignete
sich aber erst in der Forschung der 1970er Jahre. Eine wichtige Rolle kommt
hierbei Walter Kaufmann zu. Kaufmann, der im Gegensatz zu Heidegger gene-
rell für eine Bevorzugung der veröffentlichten Werke gegenüber dem Nachlass
eintritt, beginnt die „Translator's Introduction" seiner 1974 erschienenen eng-
lischsprachigen Übersetzung von FW (unter dem Titel The Gay Science) mit
den programmatischen Worten: „The Gay Science is one of Nietzsche's most
beautiful and important books." (Kaufmann in Nietzsche 1974, 3) Kaufmann
reflektiert die Unterschiede zwischen den beiden Ausgaben von FW (1882 u.
1887) und hebt hervor, dass es sich um ein durchkomponiertes, wohlstruktu-
riertes Werk handelt, das missverstanden werde, wenn man es als lose Samm-
lung voneinander unabhängiger Aphorismen liest: „What may at first seem to
be a haphazard sequence of aphorisms turns out to be a carefully crafted com-
position in which almost every section means much more in context than will
ever be noted by readers who assume, in flat defiance of Nietzsche's own re-
peated pleas to the contrary, that each section is a selfsufficient aphorism. The
structure is extremely important" (ebd., 15). In diesem Zusammenhang betont
Kaufmann auch, dass die lyrischen Paratexte, „the Prelude and Appendix, a
substantial part of the book" ausmachen (ebd., 3) Dessen ungeachtet verfährt
Kaufmann in seinen Ausführungen zu „The Structure of The Gay Science" stark
gewichtend und kapriziert sich - durchaus im Sinne älterer Lesarten, v. a. Hei-
deggers - auf die Abschnitte FW 125 und FW 340-342. Den Hauptakzent legt
er auf den Gedanken der ,ewigen Wiederkehr', der vor dem Hintergrund der
Diagnose ,Gott ist tot' zu verstehen sei (vgl. ebd., 15). Darüber hinaus und da-
mit verbunden erblickt Kaufmann in der Abfolge der einzelnen ,Bücher' von
FW einen stetige Qualitätssteigerung, die - entsprechend den Selbstaussagen
N.s nach Erscheinen der Erstausgabe - im Vierten Buch gipfele: „[O]f the first
four books which comprised the original edition, Sanctus Januarius is the most
impressive. There is a steady crescendo. Book I is inferior to what follows; Book
II gradually picks up strength; Book III is far better still" (ebd., 20). Das Fünfte
Buch, das erst in der zweiten Ausgabe von 1887 hinzukam, gehört für Kauf-
mann nicht mehr in diese aufsteigende Linie, sondern stehe dem Rest eher wie
ein eigenständiger Text gegenüber, der aber für das Spätwerk durchaus wichtig
sei: „Book V is late Nietzsche and belongs with the major works of his maturi-
ty" (ebd.). Gleichwohl betont Kaufmann nicht bloß allgemein, dass FW V
aus der heraus Nietzsche erst fest in sein Schicksal kommt", geschehe dagegen
in FW (HGA 6/1, 234). Da sich Heidegger im zitierten Kapitel mehr für die ,ewi-
ge Wiederkunft' als für den ,Tod Gottes' interessiert, thematisiert er hier nicht
FW 125, sondern FW 341 (und FW 342) als „Nietzsches erste Mitteilung der
Wiederkunftslehre" (ebd., 238).
Die eigentliche Aufwertung von FW als eigenständigem Werk ereignete
sich aber erst in der Forschung der 1970er Jahre. Eine wichtige Rolle kommt
hierbei Walter Kaufmann zu. Kaufmann, der im Gegensatz zu Heidegger gene-
rell für eine Bevorzugung der veröffentlichten Werke gegenüber dem Nachlass
eintritt, beginnt die „Translator's Introduction" seiner 1974 erschienenen eng-
lischsprachigen Übersetzung von FW (unter dem Titel The Gay Science) mit
den programmatischen Worten: „The Gay Science is one of Nietzsche's most
beautiful and important books." (Kaufmann in Nietzsche 1974, 3) Kaufmann
reflektiert die Unterschiede zwischen den beiden Ausgaben von FW (1882 u.
1887) und hebt hervor, dass es sich um ein durchkomponiertes, wohlstruktu-
riertes Werk handelt, das missverstanden werde, wenn man es als lose Samm-
lung voneinander unabhängiger Aphorismen liest: „What may at first seem to
be a haphazard sequence of aphorisms turns out to be a carefully crafted com-
position in which almost every section means much more in context than will
ever be noted by readers who assume, in flat defiance of Nietzsche's own re-
peated pleas to the contrary, that each section is a selfsufficient aphorism. The
structure is extremely important" (ebd., 15). In diesem Zusammenhang betont
Kaufmann auch, dass die lyrischen Paratexte, „the Prelude and Appendix, a
substantial part of the book" ausmachen (ebd., 3) Dessen ungeachtet verfährt
Kaufmann in seinen Ausführungen zu „The Structure of The Gay Science" stark
gewichtend und kapriziert sich - durchaus im Sinne älterer Lesarten, v. a. Hei-
deggers - auf die Abschnitte FW 125 und FW 340-342. Den Hauptakzent legt
er auf den Gedanken der ,ewigen Wiederkehr', der vor dem Hintergrund der
Diagnose ,Gott ist tot' zu verstehen sei (vgl. ebd., 15). Darüber hinaus und da-
mit verbunden erblickt Kaufmann in der Abfolge der einzelnen ,Bücher' von
FW einen stetige Qualitätssteigerung, die - entsprechend den Selbstaussagen
N.s nach Erscheinen der Erstausgabe - im Vierten Buch gipfele: „[O]f the first
four books which comprised the original edition, Sanctus Januarius is the most
impressive. There is a steady crescendo. Book I is inferior to what follows; Book
II gradually picks up strength; Book III is far better still" (ebd., 20). Das Fünfte
Buch, das erst in der zweiten Ausgabe von 1887 hinzukam, gehört für Kauf-
mann nicht mehr in diese aufsteigende Linie, sondern stehe dem Rest eher wie
ein eigenständiger Text gegenüber, der aber für das Spätwerk durchaus wichtig
sei: „Book V is late Nietzsche and belongs with the major works of his maturi-
ty" (ebd.). Gleichwohl betont Kaufmann nicht bloß allgemein, dass FW V