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Kaufmann, Sebastian; Nietzsche, Friedrich; Walter de Gruyter GmbH & Co. KG [Mitarb.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 3,2, 1. Teilband): Kommentar zu Nietzsches "Die fröhliche Wissenschaft" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2022

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https://doi.org/10.11588/diglit.73066#0091
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68 Die fröhliche Wissenschaft

„picks up themes introduced earlier" (ebd., 15), sondern konkretisiert dies mit
Blick auf den von ihm abschließend noch besonders hervorgehobenen The-
menkomplex „Germans, Jews, and Women" (ebd., 21), indem er auf Verbindun-
gen zwischen Abschnitten aus dem Zweiten (FW 68 u. 71), Dritten (FW 134-
140 u. 149) und Fünften Buch (FW 356-358 u. 361) hinweist. Darüber hinaus
enthalte FW aber auch „some of Nietzsche's most sustained treatments of im-
portant epistemological questions as well as some of his most profound obser-
vations about art and ethics" (ebd.), so dass FW - neben Za und den späteren
Schriften - als eines der wichtigsten Werke N.s zu betrachten sei.
Ähnlich wie Kaufmann, dessen Wertschätzung von FW aber noch überbie-
tend, äußert sich Giorgio Colli in seinem Vorwort zu einer italienischen Ta-
schenbuchausgabe von 1977, das 1980 auf Deutsch als Nachwort in KSA 3 abge-
druckt wurde und schon dadurch besondere Autorität erhielt: „Die fröhliche
Wissenschaft", so Colli, besitzt „geradezu reformierenden Charakter; sie ist
Nietzsches gelungenster Versuch philosophischer Mitteilung" (KSA 3, 660).
Colli betont nicht nur, wie bereits frühere Interpreten, den Übergangs- oder
Wandlungs-Charakter von FW, wenn er von ihrem „reformierenden Charakter"
spricht; vielmehr hält er FW für N.s ,bestes' philosophisches Werk überhaupt
und stellt sie in dieser Hinsicht also auch über Za, das Spätwerk oder den
späten Nachlass - womit er die von der älteren Forschung etablierte Rangord-
nung vollends verwirft. Durch die Brille von N.s nachträglicher Vorrede erblickt
er in FW eine „einzige Erfahrung völliger ,Gesundheit'", die Colli als „magi-
sche[n] Augenblick der Ausgewogenheit" beschreibt und auf die hiermit ins
Werk gesetzte „Koexistenz" von „Dichter und Wissenschaftler" bezieht (ebd.),
wie sie bereits in der zeitgenössischen Rezension von Ernst Wagner angespro-
chen wurde. Der Grundcharakter der Schrift sei demgemäß „die Heiterkeit und
das souveräne, ganz leichte In-der-Schwebe-Bleiben" (ebd., 662). Dies gelte al-
lerdings nur für die Erstausgabe von FW, die auch Colli im Vierten Buch gipfeln
sieht. Explizit klammert er die in der zweiten Ausgabe hinzugekommenen Text-
partien aus, insbesondere das Fünfte Buch, das er, auch hierin Kaufmann radi-
kalisierend, nicht nur vom Rest absetzt, sondern vor allem gegenüber FW IV
deutlich abwertet. Colli meint am Ende seines Vor- bzw. Nachwortes: „Während
das abschließende Buch der ersten Auflage, ,Sanctus Januarius', jenen bereits
angedeuteten Höhepunkt einer magischen Harmonie erreicht, gelingt es den
späteren Zusätzen nicht mehr, dieses äußerst empfindliche Gleichgewicht zu
halten. Man vergleiche - als ein Beispiel unter vielen - den Aphorismus 373,
der grimmig die Wissenschaft kritisiert, mit dem davorliegenden Aphorismus
293, der gelassen und scharfsinnig ihre Anerkennung fordert." (Ebd., 663) Colli
attestiert dem Fünften Buch also insgesamt einen gereizten, aggressiven Ton-
fall, wohingegen derjenige der Erstausgabe noch viel ausgewogener sei.
 
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