Überblickskommentar 69
Diesem Urteil schließen sich wenig später erschienene Nachworte an. So
erblickt auch Ralph-Rainer Wuthenow im Nachwort zur Insel-Ausgabe von
1982 im Vierten Buch den Höhepunkt der „Heiterkeit", im Fünften Buch jedoch
„eine Radikalisierung von Nietzsches Position, [...] eine Verdüsterung der Pro-
gnosen, überdies eine zunehmende Schroffheit des Tones" (Wuthenow 1982,
314 f.). Und ähnlich vernimmt ebenfalls Renate Reschke in ihrem „Essay" zur
1990 erschienenen Leipziger Reclam-Ausgabe in FW V einen „Ton der Pole-
mik", mit dem „die Position des Ausgleichs verlassen" werde, der in den frühe-
ren Werkteilen vorherrsche (Reschke 1990b, 392). Dies hielt Lampert 1993, 299-
442 jedoch nicht davon ab, in seiner Monographie Nietzsche and Modern Times
dem Fünften Buch besondere Aufmerksamkeit zu widmen, das er zu einem
philosophischen Grundlagentext von epochaler Bedeutung erklärte (vgl. ebd.,
302) und als erster Interpret Abschnitt für Abschnitt durchsprach.
In den Jahren um die Jahrtausendwende intensivierte sich die forscheri-
sche Auseinandersetzung mit FW nochmals. Für die ältere Beschäftigung mit
dem Werk standen, abgesehen von der Frage nach der Übergangsfunktion zur
,reifen Philosophie' N.s, einzelne Themen (Tod Gottes, Ewige Wiederkehr) und
Abschnitte (vor allem FW 125 und FW 341) im Vordergrund. Demgegenüber
rückte FW in der letzten Dekade des 20. Jahrhunderts, vorbereitet durch die
Aufwertung in den essayistischen Vor- und Nachworten zu den neueren Ausga-
ben, verstärkt in den Fokus von umfangreicheren, weiter ausgreifenden und
detaillierteren Spezialuntersuchungen. So veröffentlichte Marco Brusotti, der
im 1991 erschienenen Kindler-Artikel FW auf der Linie Collis als „eine Art gol-
dene Mitte im Werk Nietzsches" bezeichnete (Brusotti 1991, 426), im Jahr 1997
seine wichtige Monographie Die Leidenschaft der Erkenntnis. Darin befasst er
sich im vierten und fünften Kapitel eingehend mit FW und deutet die Erstaus-
gabe von 1882 insbesondere in Bezug auf das Verhältnis von philosophischer
Wahrheit und ästhetischem Schein als N.s „Abschied von der Freigeisterei"
(Brusotti 1997b, 490). Ebenfalls 1997 erschien in Band 26 der Nietzsche-Studien
mit einer eigenen Sektion zu FW eine Reihe von Spezialbeiträgen, die auf eine
Tagung zurückgehen, welche im Jahr 1995 in Sils-Maria stattfand und der FW-
Forschung weitere neue Impulse im Hinblick auf konzeptionelle, aber auch
editionsgeschichtliche Aspekte des Werks gab (Brusotti 1997a, Groddeck 1997,
Mattenklott 1997, Reschke 1997 u. Salaquarda 1997). In den 1990er Jahren er-
starkte ferner die Quellenforschung zu FW, wovon diverse Nachweisbeiträge in
den Nietzsche-Studien seit 1990 zeugen, aber auch die quellenphilologischen
Erkenntnisse über einzelne FW-Abschnitte in Andrea Orsuccis monographi-
scher Studie Orient - Okzident. Nietzsches Versuch einer Loslösung vom europä-
ischen Weltbild (1996).
Im Jahr 2000 erschien auf Englisch die erste ausschließlich FW gewidmete
Monographie; unter dem Titel Comic Relief vertrat Kathleen Marie Higgins da-
Diesem Urteil schließen sich wenig später erschienene Nachworte an. So
erblickt auch Ralph-Rainer Wuthenow im Nachwort zur Insel-Ausgabe von
1982 im Vierten Buch den Höhepunkt der „Heiterkeit", im Fünften Buch jedoch
„eine Radikalisierung von Nietzsches Position, [...] eine Verdüsterung der Pro-
gnosen, überdies eine zunehmende Schroffheit des Tones" (Wuthenow 1982,
314 f.). Und ähnlich vernimmt ebenfalls Renate Reschke in ihrem „Essay" zur
1990 erschienenen Leipziger Reclam-Ausgabe in FW V einen „Ton der Pole-
mik", mit dem „die Position des Ausgleichs verlassen" werde, der in den frühe-
ren Werkteilen vorherrsche (Reschke 1990b, 392). Dies hielt Lampert 1993, 299-
442 jedoch nicht davon ab, in seiner Monographie Nietzsche and Modern Times
dem Fünften Buch besondere Aufmerksamkeit zu widmen, das er zu einem
philosophischen Grundlagentext von epochaler Bedeutung erklärte (vgl. ebd.,
302) und als erster Interpret Abschnitt für Abschnitt durchsprach.
In den Jahren um die Jahrtausendwende intensivierte sich die forscheri-
sche Auseinandersetzung mit FW nochmals. Für die ältere Beschäftigung mit
dem Werk standen, abgesehen von der Frage nach der Übergangsfunktion zur
,reifen Philosophie' N.s, einzelne Themen (Tod Gottes, Ewige Wiederkehr) und
Abschnitte (vor allem FW 125 und FW 341) im Vordergrund. Demgegenüber
rückte FW in der letzten Dekade des 20. Jahrhunderts, vorbereitet durch die
Aufwertung in den essayistischen Vor- und Nachworten zu den neueren Ausga-
ben, verstärkt in den Fokus von umfangreicheren, weiter ausgreifenden und
detaillierteren Spezialuntersuchungen. So veröffentlichte Marco Brusotti, der
im 1991 erschienenen Kindler-Artikel FW auf der Linie Collis als „eine Art gol-
dene Mitte im Werk Nietzsches" bezeichnete (Brusotti 1991, 426), im Jahr 1997
seine wichtige Monographie Die Leidenschaft der Erkenntnis. Darin befasst er
sich im vierten und fünften Kapitel eingehend mit FW und deutet die Erstaus-
gabe von 1882 insbesondere in Bezug auf das Verhältnis von philosophischer
Wahrheit und ästhetischem Schein als N.s „Abschied von der Freigeisterei"
(Brusotti 1997b, 490). Ebenfalls 1997 erschien in Band 26 der Nietzsche-Studien
mit einer eigenen Sektion zu FW eine Reihe von Spezialbeiträgen, die auf eine
Tagung zurückgehen, welche im Jahr 1995 in Sils-Maria stattfand und der FW-
Forschung weitere neue Impulse im Hinblick auf konzeptionelle, aber auch
editionsgeschichtliche Aspekte des Werks gab (Brusotti 1997a, Groddeck 1997,
Mattenklott 1997, Reschke 1997 u. Salaquarda 1997). In den 1990er Jahren er-
starkte ferner die Quellenforschung zu FW, wovon diverse Nachweisbeiträge in
den Nietzsche-Studien seit 1990 zeugen, aber auch die quellenphilologischen
Erkenntnisse über einzelne FW-Abschnitte in Andrea Orsuccis monographi-
scher Studie Orient - Okzident. Nietzsches Versuch einer Loslösung vom europä-
ischen Weltbild (1996).
Im Jahr 2000 erschien auf Englisch die erste ausschließlich FW gewidmete
Monographie; unter dem Titel Comic Relief vertrat Kathleen Marie Higgins da-