70 Die fröhliche Wissenschaft
rin die innovative These, dass N.s Werk nicht nur eine ,fröhliche' oder ,heitere'
Grundstimmung, sondern geradezu eine humoristische Intention erkennen las-
se. Dabei wandte sie sich nicht nur den großen Themenkomplexen wie Kunst,
Frauen, Tod Gottes und ewige Wiederkehr zu, sondern vergleichsweise aus-
führlich auch den lyrischen Texten des Vorspiels. Allerdings konzentriert sich
Higgins weitgehend auf die Erstausgabe von FW; das Fünfte Buch wird ab-
schließend nur flüchtig gestreift (vgl. Higgins 2000, 169-172), während Vorrede
und Anhang nahezu gänzlich ausgespart bleiben.
Neue Wege sucht in seinem Nachwort zur ebenfalls 2000 veröffentlichten
Reclam-Ausgabe von FW auch Günter Figal zu beschreiten, wenn er meint, es
handle sich bei diesem Werk um die „philosophische Fassung eines Romans",
weshalb es auch zu lesen sei „wie ein Roman" (Figal 2000b, 314). Diese These
wurde indes in jüngerer Zeit aus literaturwissenschaftlicher Sicht zurückgewie-
sen (vgl. Zittel 2015, 53) - mit Recht, auch wenn natürlich gegen die von Figal
(ähnlich wie schon von Kaufmann in Nietzsche 1974, 15) angeratene Lektüre
des Buchs „im Zusammenhang, mit Aufmerksamkeit auf seine Komposition"
(Figal 2000b, 314) prinzipiell nichts einzuwenden ist. Aber diese Lektüreemp-
fehlung gilt auch für andere Werke N.s, ohne dass diese als Romane zu klassifi-
zieren wären. Zugleich versichert Figal aber, es gehe nicht darum, „Philoso-
phie und Wissenschaft mit der Kunst zu identifizieren" (ebd., 320). Außerdem
repetiert er mehrere Topoi der Rezeptionsgeschichte seit den 1970er Jahren. So
findet sich bei ihm etwa die an Kaufmann und Colli erinnernde Ansicht wieder,
N.s Denken sei in FW nicht nur an einem Wendepunkt angekommen, sondern
im Vergleich mit „seine[n] späteren Bücher[n]" besonders „glücklich realisiert"
(ebd., 324), ganz „ohne [...] verkrampfte Polemik", dafür mit großer „Leichtig-
keit und Eleganz philosophischer Artikulation" (ebd., 325). Ja, es handle sich
„vielleicht" sogar um „das klarste philosophische Buch der Moderne über-
haupt" (ebd.), dessen Grundzug Figal als einen ,freigeistigen Perspektivismus'
charakterisiert (vgl. ebd., 318). Darüber hinaus folgt er Kaufmann und Colli
auch darin, den konzeptionellen Mittel- und Höhepunkt von FW im ,heiter-
bejahenden' Vierten Buch zu sehen. Dieses handle „vom Autor selbst" (ebd.,
321), wobei schließlich in FW 341 „die Vorstellung der ewigen Wiederkunft [...]
zum Prüfstein des Jasagenkönnens" zum „eigenen Leben" werde (ebd., 323).
Anders als Colli und Reschke nimmt Figal allerdings das in der neuen Ausgabe
von 1887 hinzugefügte Fünfte Buch von den „missionarischen, rechthaberi-
schen Töne[n]" aus, „die manches im Werk des späteren Nietzsche problema-
tisch machen" (ebd., 324). Hier zeichnet sich eine - in der deutschsprachigen
Forschung nicht selbstverständliche - Tendenz zur Rehabilitierung von FW V
ab, die von der neueren Sekundärliteratur der 2010er Jahre dann verstärkt fort-
gesetzt wurde.
rin die innovative These, dass N.s Werk nicht nur eine ,fröhliche' oder ,heitere'
Grundstimmung, sondern geradezu eine humoristische Intention erkennen las-
se. Dabei wandte sie sich nicht nur den großen Themenkomplexen wie Kunst,
Frauen, Tod Gottes und ewige Wiederkehr zu, sondern vergleichsweise aus-
führlich auch den lyrischen Texten des Vorspiels. Allerdings konzentriert sich
Higgins weitgehend auf die Erstausgabe von FW; das Fünfte Buch wird ab-
schließend nur flüchtig gestreift (vgl. Higgins 2000, 169-172), während Vorrede
und Anhang nahezu gänzlich ausgespart bleiben.
Neue Wege sucht in seinem Nachwort zur ebenfalls 2000 veröffentlichten
Reclam-Ausgabe von FW auch Günter Figal zu beschreiten, wenn er meint, es
handle sich bei diesem Werk um die „philosophische Fassung eines Romans",
weshalb es auch zu lesen sei „wie ein Roman" (Figal 2000b, 314). Diese These
wurde indes in jüngerer Zeit aus literaturwissenschaftlicher Sicht zurückgewie-
sen (vgl. Zittel 2015, 53) - mit Recht, auch wenn natürlich gegen die von Figal
(ähnlich wie schon von Kaufmann in Nietzsche 1974, 15) angeratene Lektüre
des Buchs „im Zusammenhang, mit Aufmerksamkeit auf seine Komposition"
(Figal 2000b, 314) prinzipiell nichts einzuwenden ist. Aber diese Lektüreemp-
fehlung gilt auch für andere Werke N.s, ohne dass diese als Romane zu klassifi-
zieren wären. Zugleich versichert Figal aber, es gehe nicht darum, „Philoso-
phie und Wissenschaft mit der Kunst zu identifizieren" (ebd., 320). Außerdem
repetiert er mehrere Topoi der Rezeptionsgeschichte seit den 1970er Jahren. So
findet sich bei ihm etwa die an Kaufmann und Colli erinnernde Ansicht wieder,
N.s Denken sei in FW nicht nur an einem Wendepunkt angekommen, sondern
im Vergleich mit „seine[n] späteren Bücher[n]" besonders „glücklich realisiert"
(ebd., 324), ganz „ohne [...] verkrampfte Polemik", dafür mit großer „Leichtig-
keit und Eleganz philosophischer Artikulation" (ebd., 325). Ja, es handle sich
„vielleicht" sogar um „das klarste philosophische Buch der Moderne über-
haupt" (ebd.), dessen Grundzug Figal als einen ,freigeistigen Perspektivismus'
charakterisiert (vgl. ebd., 318). Darüber hinaus folgt er Kaufmann und Colli
auch darin, den konzeptionellen Mittel- und Höhepunkt von FW im ,heiter-
bejahenden' Vierten Buch zu sehen. Dieses handle „vom Autor selbst" (ebd.,
321), wobei schließlich in FW 341 „die Vorstellung der ewigen Wiederkunft [...]
zum Prüfstein des Jasagenkönnens" zum „eigenen Leben" werde (ebd., 323).
Anders als Colli und Reschke nimmt Figal allerdings das in der neuen Ausgabe
von 1887 hinzugefügte Fünfte Buch von den „missionarischen, rechthaberi-
schen Töne[n]" aus, „die manches im Werk des späteren Nietzsche problema-
tisch machen" (ebd., 324). Hier zeichnet sich eine - in der deutschsprachigen
Forschung nicht selbstverständliche - Tendenz zur Rehabilitierung von FW V
ab, die von der neueren Sekundärliteratur der 2010er Jahre dann verstärkt fort-
gesetzt wurde.