Überblickskommentar 71
Das internationale Forschungsinteresse an FW intensivierte sich in der
letzten Dekade vor dem Erscheinen von NK 3/2 nochmals und förderte gleich
mehrere einschlägige Publikationen zutage, die sich zum Ziel setzten, die von
der neueren Forschung gebahnten Wege weiterzugehen und zugleich weitere
innovative Zugänge zu erschließen. Abgesehen von dem primär für Studienan-
fänger bzw. interessierte Laien konzipierten englischsprachigen Einführungs-
band von Langer 2010 ist zunächst der ebenfalls 2010 von Chiara Piazzesi, Giu-
liano Campioni und Patrick Wotling herausgegebene Sammelband Letture
della ,Gaia scienza' I Lectures du ,Gai savoir' zu nennen. Er enthält Beiträge
auf Deutsch, Französisch und Italienisch zu ausgewählten Themen und Teilen
von FW, vor allem zum Zweiten und Fünften Buch (vgl. die Beiträge von Bailey,
Branco, Wotling und Stegmaier), aber auch zu einzelnen Abschnitten wie ins-
besondere zu dem forschungsgeschichtlich bedeutenden, gleich in vier Aufsät-
zen behandelten Abschnitt FW 354 (vgl. Garcia, Gori, Kupin und Sooväli) sowie
zu leitenden Motiven wie Physiologie, Leib und Gesundheit (vgl. Souladie,
Faustino und Müller) oder Geschlecht/Weiblichkeit und Liebe (vgl. Marton und
Piazzesi).
Im Unterschied zu diesem selektiven Zugriff auf FW im Ganzen widmet
sich die umfangreiche Monographie von Werner Stegmaier, die 2012 unter
dem Titel Nietzsches Befreiung der Philosophie. Kontextuelle Interpretation des
V. Buchs der „Fröhlichen Wissenschaft" erschienen ist, ausschließlich den 41 Ab-
schnitten des Fünften Buchs (FW 343-383). Entgegen dessen (im deutschspra-
chigen Raum) langanhaltender Marginalisierung bzw. Degradierung nimmt
Stegmaier es gezielt unter die Lupe, und zwar mit dem Anspruch, es als die
Vollendung von N.s ,aphoristischem' Denken zu erweisen. Zwar wurde, wie
angedeutet, eine Aufwertung des Fünften Buchs schon von anderen Autoren
vereinzelt vorbereitet bzw. vorgenommen (vgl. neben den bereits genannten
auch Schacht 1988, bes. 70 f. u. 76-83, Giametta 1998 und Young 2010, 439-
449). Doch Stegmaier erklärte FW V mit besonderem Nachdruck nicht nur zum
wichtigsten Part von FW, sondern von N.s Denken überhaupt. Stegmaier ist
überzeugt: „Im V. Buch der FW erreicht Nietzsches Philosophieren den Gipfel
seiner befreienden Fröhlichkeit und seine Kunst des Aphorismus ihre volle Rei-
fe und größte Dichte. Sein zuvor nach dem Vorbild Voltaires in viele Richtun-
gen weisendes Philosophieren konzentriert sich, strafft sich, zielt nun auf die
grundlegenden Fragen; Nietzsche erlaubt sich keinerlei Entspannungen, Ab-
weichungen, Beiläufigkeiten mehr; unter seinen Aphorismen-Büchern ist das
V. Buch der FW das prägnanteste." (Stegmaier 2012b, 61) Wie so oft bei steilen
Thesen, ist freilich auch hier Vorsicht angebracht.
Einen neuen, wichtigen Schritt zur systematischen Erschließung und Wür-
digung von FW als Gesamtwerk stellt der deutsch- und englischsprachige ,koo-
Das internationale Forschungsinteresse an FW intensivierte sich in der
letzten Dekade vor dem Erscheinen von NK 3/2 nochmals und förderte gleich
mehrere einschlägige Publikationen zutage, die sich zum Ziel setzten, die von
der neueren Forschung gebahnten Wege weiterzugehen und zugleich weitere
innovative Zugänge zu erschließen. Abgesehen von dem primär für Studienan-
fänger bzw. interessierte Laien konzipierten englischsprachigen Einführungs-
band von Langer 2010 ist zunächst der ebenfalls 2010 von Chiara Piazzesi, Giu-
liano Campioni und Patrick Wotling herausgegebene Sammelband Letture
della ,Gaia scienza' I Lectures du ,Gai savoir' zu nennen. Er enthält Beiträge
auf Deutsch, Französisch und Italienisch zu ausgewählten Themen und Teilen
von FW, vor allem zum Zweiten und Fünften Buch (vgl. die Beiträge von Bailey,
Branco, Wotling und Stegmaier), aber auch zu einzelnen Abschnitten wie ins-
besondere zu dem forschungsgeschichtlich bedeutenden, gleich in vier Aufsät-
zen behandelten Abschnitt FW 354 (vgl. Garcia, Gori, Kupin und Sooväli) sowie
zu leitenden Motiven wie Physiologie, Leib und Gesundheit (vgl. Souladie,
Faustino und Müller) oder Geschlecht/Weiblichkeit und Liebe (vgl. Marton und
Piazzesi).
Im Unterschied zu diesem selektiven Zugriff auf FW im Ganzen widmet
sich die umfangreiche Monographie von Werner Stegmaier, die 2012 unter
dem Titel Nietzsches Befreiung der Philosophie. Kontextuelle Interpretation des
V. Buchs der „Fröhlichen Wissenschaft" erschienen ist, ausschließlich den 41 Ab-
schnitten des Fünften Buchs (FW 343-383). Entgegen dessen (im deutschspra-
chigen Raum) langanhaltender Marginalisierung bzw. Degradierung nimmt
Stegmaier es gezielt unter die Lupe, und zwar mit dem Anspruch, es als die
Vollendung von N.s ,aphoristischem' Denken zu erweisen. Zwar wurde, wie
angedeutet, eine Aufwertung des Fünften Buchs schon von anderen Autoren
vereinzelt vorbereitet bzw. vorgenommen (vgl. neben den bereits genannten
auch Schacht 1988, bes. 70 f. u. 76-83, Giametta 1998 und Young 2010, 439-
449). Doch Stegmaier erklärte FW V mit besonderem Nachdruck nicht nur zum
wichtigsten Part von FW, sondern von N.s Denken überhaupt. Stegmaier ist
überzeugt: „Im V. Buch der FW erreicht Nietzsches Philosophieren den Gipfel
seiner befreienden Fröhlichkeit und seine Kunst des Aphorismus ihre volle Rei-
fe und größte Dichte. Sein zuvor nach dem Vorbild Voltaires in viele Richtun-
gen weisendes Philosophieren konzentriert sich, strafft sich, zielt nun auf die
grundlegenden Fragen; Nietzsche erlaubt sich keinerlei Entspannungen, Ab-
weichungen, Beiläufigkeiten mehr; unter seinen Aphorismen-Büchern ist das
V. Buch der FW das prägnanteste." (Stegmaier 2012b, 61) Wie so oft bei steilen
Thesen, ist freilich auch hier Vorsicht angebracht.
Einen neuen, wichtigen Schritt zur systematischen Erschließung und Wür-
digung von FW als Gesamtwerk stellt der deutsch- und englischsprachige ,koo-