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Kaufmann, Sebastian; Nietzsche, Friedrich; Walter de Gruyter GmbH & Co. KG [Mitarb.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 3,2, 1. Teilband): Kommentar zu Nietzsches "Die fröhliche Wissenschaft" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2022

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https://doi.org/10.11588/diglit.73066#0105
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82 Die fröhliche Wissenschaft

grundlegende Bedeutung der ,heidnisch' geprägten Trobadors für die gesamte
nachfolgende Kultur Europas: „II faut considerer la Mediterrannee comme le
foyer de la civilisation europeenne. Les bords heureux de cette belle mer si
favorisee par le climat l'etaient encore par l'etat prospere des habitants et par
l'absence de toute religion ou legislation triste. La genie eminemment gai des
Provengaux d'alors avait traverse la religion chretienne sans en etre altere."
(Stendhal 1853, 165) - „Man muß das Mittelmeer als den Herd der europä-
ischen Kultur betrachten. Die glücklichen Gestade dieses schönen Meeres wa-
ren schon durch das Klima begünstigt, noch mehr durch das mühelose Leben
ihrer Bewohner und durch das völlige Fehlen des Düsteren in Glauben und
Gesetz. Der überaus heitere Geist der damaligen Provengalen war durch die
Annahme des Christentums nicht verdrängt worden." (Stendhal 1903, 178)
Auch wenn Mancini den Stendhal-Rekurs stark macht, ist er sich doch dessen
bewusst, dass „Stendhal nicht Nietzsches einzige ,Quelle' für [...] die Troba-
dors" ist (Mancini 2009, 106), die N. übrigens bereits in seiner im Wintersems-
ter 1878/79 gehaltenen Vorlesung Griechische Lyriker als Beispiel für eine ur-
sprüngliche Einheit von „Text u. Musik" (KGW II 2, 375, 20 f.) erwähnt.
Auf zwei andere Werke, welche die Trobador-Kultur der Provence themati-
sieren und im Unterschied zu Stendhals De l'amour in N.s Bibliothek erhalten
sind, haben Campioni 2010b, 34-36 und - daran anschließend - Venturelli
2010, 182 f. als weitere mögliche Quellen für den Titel von FW und seine Syno-
nyme aufmerksam gemacht. Zum einen verweisen sie auf Emile Gebharts Werk
Les origines de la Renaissance en Italie, das N. in den frühen 1880er Jahren
studiert hat (zu den Trobadors vgl. Gebhart 1879, 6-15). Bei Gebhart fehlen
zwar die Formeln „gaya scienza" und „gai saber", allerdings findet sich bei
ihm das französische Pendant „la gaie science". Gebhart schreibt: „la gaie
science etait pour ces chanteurs plus seduisante que la science" - „die fröhliche
Wissenschaft war für diese Sänger verführerischer als die Wissenschaft" (ebd.,
15). Zum anderen führt Campioni die 1885 erschienene zweite Auflage von Le-
febvre Saint-Ogans Essai sur l'influence frangaise an, die N. - etliche Anstrei-
chungen zeugen davon - „Mitte der achtziger Jahre las" und in dem er „eine
Beschreibung des französischen Charakters [fand], die derjenigen Stendhals
verwandt war" (Campioni 2010b, 34). Über die provenzalischen Trobadors
heißt es bei Saint-Ogan: „les Troubadours ont ete les premiers ä bien parier,
depuis la decadence de l'empire romain et ä introduire dans les langues vulgai-
res les vers et la rime. Les cours d'amour de la Provence promulguerent le code
de la chevalerie, melange capiteux et delicat d'ideal chretien et d'epicureisme
päien. Les Troubadours en furent les jurisconsultes. / Illustre par la poesie, le
patois du Gai saber se repandit bientöt en Europe." (Saint-Ogan 1885, 27) -
„Die Trobadors waren die ersten, die nach dem Verfall des Römischen Reichs
 
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