84 Die fröhliche Wissenschaft
lung Letters and Social Aims [...], welche Nietzsche in der deutschen Überset-
zung kannte. (Neue Essays, Stuttgart 1876, B.N.)." Gemeint ist die Stelle in
Emerson 1876, 36: „Poesie ist die ,heitere Wissenschaft'." (Vgl. aber auch Emer-
son 1862, 184: „Es ist eine alte Regel für verständiges Betragen: ,Aliis laetus,
sapiens sibi,' welche das englische Sprichwort wiedergiebt durch: ,Sei fröhlich
und weise.'" - N. bringt das lateinische Zitat von Emerson in UB III SE 2, KSA 1,
348, 26; Nachweis bei Campioni / Morillas Esteban 2008.)
Auch wenn Emerson mit seiner Verwendung von „gay science" nicht (bloß)
an die Lyrik der provenzalischen Trobadors denkt, hat er dabei doch „nur die
Dichtung" (Brusotti 1997b, 381, Anm. 3) im Sinn. N. hingegen assoziiert explizit
wie implizit noch weitaus mehr damit. Zu den ersten Selbstaussagen N.s über
den Werktitel gehört eine rezeptions- und produktionsästhetische Überlegung,
der zufolge die ,Fröhlichkeit' als Wirkungskategorie erscheint. In einem Brief
von Ende August 1882 an Paul Ree bringt N. nämlich seine Erwartung einer
fröhlichen Wirkung von FW bei den Lesern mit dem Hinweis auf den ,persönli-
chen' Charakter des Werks zusammen: So sei FW „das Persönlichste aller
meiner Bücher", und ,,[i]n Anbetracht, daß alles sehr Persönliche ganz eigent-
lich komisch ist, erwarte ich in der That eine ,fröhliche' Wirkung." (KSB 6/
KGB III 1, Nr. 292, S. 247, Z. 19-22) Weshalb und inwiefern sich diese ,fröhliche'
Wirkung aus der persönlichen Machart des Werks ergibt, erläutert N. freilich
nicht näher. In anderen Texten aus dieser und späterer Zeit steht allerdings
die Fröhlichkeit weniger als Wirkungs- und mehr als Werkkategorie im Zen-
trum von N.s Reflexionen auf die Titel-Formel.
Bereits im letzten Buch von M wird die ,Fröhlichkeit' der ,Wissenschaft' in
mehreren Texten, die bald darauf folgende neue Schrift gleichsam vorberei-
tend, thematisiert. Der Abschnitt M 427 legt dabei nahe, dass ,fröhliche Wissen-
schaft' überhaupt ein Synonym für ,Philosophie' sei, wie der Sprecher sie -
positiv - versteht. So heißt es in dem genannten Text, dass „aus dem Gefühl
,die Wissenschaft ist hässlich, trocken, trostlos, schwierig, langwierig, - auf!
lasst sie uns verschönern!' immer wieder Etwas [entsteht], das sich die Phi-
losophie nennt. Sie will, was alle Künste und Dichtungen wollen, - vor Al-
lem unterhalten: sie will diess aber, gemäss ihrem ererbten Stolze, in einer
erhabeneren und höheren Art, vor einer Auswahl von Geistern." (KSA 3, 263,
5-11) In diesem konzeptuellen Rahmen, der mit seiner Verbindung von Wissen-
schaft und Kunst bzw. von Philosophie und Dichtung (vgl. hierzu auch FW 113)
nicht zuletzt die Integration von Gedichten in FW motiviert, bezieht sich M 567
auf die spezifische Aufgabe eines ,heiteren' Angriffs auf überkommene Wert-
schätzungen. So spricht dieser Text zwar in militärischer Metaphorik von den
„Soldaten der Erkenntniss" (329, 26 f.), was der in EH M formulierten Aussage
entsprechen mag: „Mit diesem Buche beginnt mein Feldzug gegen die Moral"
lung Letters and Social Aims [...], welche Nietzsche in der deutschen Überset-
zung kannte. (Neue Essays, Stuttgart 1876, B.N.)." Gemeint ist die Stelle in
Emerson 1876, 36: „Poesie ist die ,heitere Wissenschaft'." (Vgl. aber auch Emer-
son 1862, 184: „Es ist eine alte Regel für verständiges Betragen: ,Aliis laetus,
sapiens sibi,' welche das englische Sprichwort wiedergiebt durch: ,Sei fröhlich
und weise.'" - N. bringt das lateinische Zitat von Emerson in UB III SE 2, KSA 1,
348, 26; Nachweis bei Campioni / Morillas Esteban 2008.)
Auch wenn Emerson mit seiner Verwendung von „gay science" nicht (bloß)
an die Lyrik der provenzalischen Trobadors denkt, hat er dabei doch „nur die
Dichtung" (Brusotti 1997b, 381, Anm. 3) im Sinn. N. hingegen assoziiert explizit
wie implizit noch weitaus mehr damit. Zu den ersten Selbstaussagen N.s über
den Werktitel gehört eine rezeptions- und produktionsästhetische Überlegung,
der zufolge die ,Fröhlichkeit' als Wirkungskategorie erscheint. In einem Brief
von Ende August 1882 an Paul Ree bringt N. nämlich seine Erwartung einer
fröhlichen Wirkung von FW bei den Lesern mit dem Hinweis auf den ,persönli-
chen' Charakter des Werks zusammen: So sei FW „das Persönlichste aller
meiner Bücher", und ,,[i]n Anbetracht, daß alles sehr Persönliche ganz eigent-
lich komisch ist, erwarte ich in der That eine ,fröhliche' Wirkung." (KSB 6/
KGB III 1, Nr. 292, S. 247, Z. 19-22) Weshalb und inwiefern sich diese ,fröhliche'
Wirkung aus der persönlichen Machart des Werks ergibt, erläutert N. freilich
nicht näher. In anderen Texten aus dieser und späterer Zeit steht allerdings
die Fröhlichkeit weniger als Wirkungs- und mehr als Werkkategorie im Zen-
trum von N.s Reflexionen auf die Titel-Formel.
Bereits im letzten Buch von M wird die ,Fröhlichkeit' der ,Wissenschaft' in
mehreren Texten, die bald darauf folgende neue Schrift gleichsam vorberei-
tend, thematisiert. Der Abschnitt M 427 legt dabei nahe, dass ,fröhliche Wissen-
schaft' überhaupt ein Synonym für ,Philosophie' sei, wie der Sprecher sie -
positiv - versteht. So heißt es in dem genannten Text, dass „aus dem Gefühl
,die Wissenschaft ist hässlich, trocken, trostlos, schwierig, langwierig, - auf!
lasst sie uns verschönern!' immer wieder Etwas [entsteht], das sich die Phi-
losophie nennt. Sie will, was alle Künste und Dichtungen wollen, - vor Al-
lem unterhalten: sie will diess aber, gemäss ihrem ererbten Stolze, in einer
erhabeneren und höheren Art, vor einer Auswahl von Geistern." (KSA 3, 263,
5-11) In diesem konzeptuellen Rahmen, der mit seiner Verbindung von Wissen-
schaft und Kunst bzw. von Philosophie und Dichtung (vgl. hierzu auch FW 113)
nicht zuletzt die Integration von Gedichten in FW motiviert, bezieht sich M 567
auf die spezifische Aufgabe eines ,heiteren' Angriffs auf überkommene Wert-
schätzungen. So spricht dieser Text zwar in militärischer Metaphorik von den
„Soldaten der Erkenntniss" (329, 26 f.), was der in EH M formulierten Aussage
entsprechen mag: „Mit diesem Buche beginnt mein Feldzug gegen die Moral"