Stellenkommentar FW Vorrede 1, KSA 3, S. 345 99
gebraute Arzenei gegen den Lebens-Überdruß" bezeichnet: „Es ist ein Bild von
mir darin" (KSB 6/KGB III 1, Nr. 267, S. 226 f., Z. 17 f. u. 38 f.). In fast identischem
Wortlaut wie in dem weiter oben bereits zitierten Brief an Paul Ree von Ende
August, in dem N. die wirkungsästhetische ,Komik alles Persönlichen' hervor-
hebt, lädt er im Begleitschreiben zur Übersendung von FW am 2./3. August
1882 bereits Jacob Burckhardt zur Lektüre ein (vgl. KSB 6/KGB III 1, Nr. 277,
S. 234, Z. 6 f.). Im Freundeskreis ist FW denn auch zum Teil sehr ,persönlich'
aufgenommen worden. Erwin Rohde etwa bemerkt in seinem Brief an N. vom
26. November 1882 mit Blick auf die erste Ausgabe, dass dieses Werk „eben
ein rechtes Bekenntniß ist: so ist Dir zu Muthe; und das sprichst du mit
unvergleichlicher Energie und Helligkeit aus." (KGB III 2, Nr. 158, S. 307, Z. 26-
28) Und Rohde zieht auch eine Verbindung zwischen dem ,persönlichen' Erleb-
nis/Bekenntnis und der ,fröhlichen' Wirkung, die aus dem Eindruck der end-
lich gewonnenen Gesundheit resultiere: „Das ganz Persönliche des ganzen Bu-
ches ist es, was ich als so wohlthätig empfunden habe, und so denn auch der
Hauch einer nun nicht mehr nur krampfhaft gewollten sondern erlangten
und ruhig festgehaltenen Beruhigung des Geistes und gesunder Gelassenheit
des ganzen Wesens, der aus den meisten Betrachtungen mir entgegenweht.
Wenn du nicht ein wahrer Tausendkünstler der Selbstüberwindung bist, so
mußt du wirklich nunmehr den Berg überstiegen haben, deine Gesundheit wie-
der gefunden haben" (KGB III 2, Nr. 158, S. 307 f., Z. 32-40).
Rückblickend betrachtet erwies sich N. dann aber doch eher als „Tausend-
künstler der Selbstüberwindung" denn als gesundheitlich endgültig ,über den
Berg'; in den weiteren 1880er Jahren ging es gesundheitlich für N. weiterhin
auf und ab, bis 1889 dann der völlige Zusammenbruch folgte. Insbesondere
der erste Abschnitt der Vorrede zur Neuausgabe von FW im Jahr 1887 reflektiert
im Fortgang sogar unterschwellig, dass das ,Erlebnis', auf dem das Buch beru-
he, mehr in der - wie Rohde sich ausdrückt - „krampfhaft gewollten" und
weniger auf der „erlangten und ruhig festgehaltenen" Gesundheit liegt. Über
die grundsätzliche Bedeutung des persönlichen Erlebens für sein gesamtes
Denken und Schreiben notiert N. 1886 unter der Überschrift „Vorreden und
Nachreden": „Meine Schriften reden nur von meinen eignen Erlebnissen -
glücklicherweise habe ich Viel erlebt -: ich bin darin, mit Leib und Seele -
wozu es verhehlen?, ego ipsissimus, und wenn es hoch kommt, ego ipsissi-
mum." (NL 1886/87, 6[4], KSA 12, 232, 9-13; siehe NK 622, 21 f.) Vgl. auch fol-
gendes Nachlass-Notat von 1885, in dem es mit Blick auf eine „Neue ,unzeitge-
mäße Betrachtung'" heißt: „Ohne daß ich es wußte, sprach ich nur rfür mich,
ja im Grunde nur' von mir. Indessen: 'Alles' was ich 'damals' erlebte 'habe™,
das / sind für eine gewisse Art von M[ensch] typische Erlebnisse" (KGW IX 4,
W I 5, 36, 1 u. 39, 2-4 = NL 1885, 41[2], KSA 11, 669, 17 u. 670, 34-671, 3). Vgl.
gebraute Arzenei gegen den Lebens-Überdruß" bezeichnet: „Es ist ein Bild von
mir darin" (KSB 6/KGB III 1, Nr. 267, S. 226 f., Z. 17 f. u. 38 f.). In fast identischem
Wortlaut wie in dem weiter oben bereits zitierten Brief an Paul Ree von Ende
August, in dem N. die wirkungsästhetische ,Komik alles Persönlichen' hervor-
hebt, lädt er im Begleitschreiben zur Übersendung von FW am 2./3. August
1882 bereits Jacob Burckhardt zur Lektüre ein (vgl. KSB 6/KGB III 1, Nr. 277,
S. 234, Z. 6 f.). Im Freundeskreis ist FW denn auch zum Teil sehr ,persönlich'
aufgenommen worden. Erwin Rohde etwa bemerkt in seinem Brief an N. vom
26. November 1882 mit Blick auf die erste Ausgabe, dass dieses Werk „eben
ein rechtes Bekenntniß ist: so ist Dir zu Muthe; und das sprichst du mit
unvergleichlicher Energie und Helligkeit aus." (KGB III 2, Nr. 158, S. 307, Z. 26-
28) Und Rohde zieht auch eine Verbindung zwischen dem ,persönlichen' Erleb-
nis/Bekenntnis und der ,fröhlichen' Wirkung, die aus dem Eindruck der end-
lich gewonnenen Gesundheit resultiere: „Das ganz Persönliche des ganzen Bu-
ches ist es, was ich als so wohlthätig empfunden habe, und so denn auch der
Hauch einer nun nicht mehr nur krampfhaft gewollten sondern erlangten
und ruhig festgehaltenen Beruhigung des Geistes und gesunder Gelassenheit
des ganzen Wesens, der aus den meisten Betrachtungen mir entgegenweht.
Wenn du nicht ein wahrer Tausendkünstler der Selbstüberwindung bist, so
mußt du wirklich nunmehr den Berg überstiegen haben, deine Gesundheit wie-
der gefunden haben" (KGB III 2, Nr. 158, S. 307 f., Z. 32-40).
Rückblickend betrachtet erwies sich N. dann aber doch eher als „Tausend-
künstler der Selbstüberwindung" denn als gesundheitlich endgültig ,über den
Berg'; in den weiteren 1880er Jahren ging es gesundheitlich für N. weiterhin
auf und ab, bis 1889 dann der völlige Zusammenbruch folgte. Insbesondere
der erste Abschnitt der Vorrede zur Neuausgabe von FW im Jahr 1887 reflektiert
im Fortgang sogar unterschwellig, dass das ,Erlebnis', auf dem das Buch beru-
he, mehr in der - wie Rohde sich ausdrückt - „krampfhaft gewollten" und
weniger auf der „erlangten und ruhig festgehaltenen" Gesundheit liegt. Über
die grundsätzliche Bedeutung des persönlichen Erlebens für sein gesamtes
Denken und Schreiben notiert N. 1886 unter der Überschrift „Vorreden und
Nachreden": „Meine Schriften reden nur von meinen eignen Erlebnissen -
glücklicherweise habe ich Viel erlebt -: ich bin darin, mit Leib und Seele -
wozu es verhehlen?, ego ipsissimus, und wenn es hoch kommt, ego ipsissi-
mum." (NL 1886/87, 6[4], KSA 12, 232, 9-13; siehe NK 622, 21 f.) Vgl. auch fol-
gendes Nachlass-Notat von 1885, in dem es mit Blick auf eine „Neue ,unzeitge-
mäße Betrachtung'" heißt: „Ohne daß ich es wußte, sprach ich nur rfür mich,
ja im Grunde nur' von mir. Indessen: 'Alles' was ich 'damals' erlebte 'habe™,
das / sind für eine gewisse Art von M[ensch] typische Erlebnisse" (KGW IX 4,
W I 5, 36, 1 u. 39, 2-4 = NL 1885, 41[2], KSA 11, 669, 17 u. 670, 34-671, 3). Vgl.