Metadaten

Kaufmann, Sebastian; Nietzsche, Friedrich; Walter de Gruyter GmbH & Co. KG [Mitarb.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 3,2, 1. Teilband): Kommentar zu Nietzsches "Die fröhliche Wissenschaft" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2022

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.73066#0762
Lizenz: In Copyright
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Stellenkommentar FW 107, KSA 3, S. 464 739

464, 21 f. Fluss des Werdens] Vgl. NK 472, 6.
464, 23-465, 18 Als ästhetisches Phänomen ist uns das Dasein immer noch er-
träglich, und durch die Kunst ist uns Auge und Hand und vor Allem das gute
Gewissen dazu gegeben, aus uns selber ein solches Phänomen machen zu kön-
nen. Wir müssen zeitweilig von uns ausruhen, dadurch, dass wir auf uns hin
und hinab sehen und, aus einer künstlerischen Ferne her, über uns lachen oder
über uns weinen; wir müssen den Helden und ebenso den Narren entdecken,
der in unsrer Leidenschaft der Erkenntniss steckt, wir müssen unsrer Thorheit ab
und zu froh werden, um unsrer Weisheit froh bleiben zu können! Und gerade weil
wir im letzten Grunde schwere und ernsthafte Menschen und mehr Gewichte als
Menschen sind, so thut uns Nichts so gut als die Schelmenkappe: wir brau-
chen sie vor uns selber - wir brauchen alle übermüthige, schwebende, tanzende,
spottende, kindische und selige Kunst, um jener Freiheit über den Dingen
nicht verlustig zu gehen, welche unser Ideal von uns fordert. Es wäre ein Rück-
fall für uns, gerade mit unsrer reizbaren Redlichkeit ganz in die Moral zu gera-
then und um der überstrengen Anforderungen willen, die wir hierin an uns stellen,
gar noch selber zu tugendhaften Ungeheuern und Vogelscheuchen zu werden.
Wir sollen auch über der Moral stehen können: und nicht nur stehen, mit der
ängstlichen Steifigkeit eines Solchen, der jeden Augenblick auszugleiten und zu
fallen fürchtet, sondern auch über ihr schweben und spielen! Wie könnten wir
dazu der Kunst, wie des Narren entbehren? - Und so lange ihr euch noch irgend-
wie vor euch selber schämt, gehört ihr noch nicht zu uns!] Im Korrekturbogen
standen stattdessen zunächst lediglich folgende zwei Sätze: „Nur als ästheti-
sches Phänomen ist uns das Dasein noch erträglich. So wollen wir denn zu
Denen gehören, welche es dazu machen! welche es schön machen!" (Cb, 133)
N. hat den Schluss dann zunächst wie folgt korrigiert: „Als ästhetisches Phäno-
men ist uns das Dasein immer noch erträglich: und durch die Kunst ist uns
das Auge rund die Hand' gegeben, 'aus' uns selber als ein solches Phänomen
zu machen." (Cb, 133) Brusotti 2016b, 209, Anm. 17 vermutet, dass N. die „end-
gültige Fassung nicht nur dieser Zeilen", sondern auch des restlichen Textes
„der Druckerei wahrscheinlich in seinem Sonderblatt zukommen" ließ, das
sich jedoch nicht erhalten hat. (Etwas verwirrend ist in diesem Zusammenhang
Brusottis Gebrauch der Siglen Cbl und Cb2, der Montinaris Unterscheidung in
KSA 14 zwischen Cb1 und Cb2 - für Korrekturbogen vor und nach einer Ände-
rung - entsprechen soll. Allerdings wird im Fall des eingerückten Zitats in
Brusotti 2016b, 209 die Sigle Cbl benutzt, um quasi eine Mischfassung aus dem
Korrekturbogen vor und nach der Verbesserung sowie dem gedruckten Text zu
präsentieren.)
464, 23-25 Als ästhetisches Phänomen ist uns das Dasein immer noch erträg-
lich] Bei dieser Formulierung handelt es sich um ein variiertes Zitat aus N.s
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften