Metadaten

Kaufmann, Sebastian; Nietzsche, Friedrich; Walter de Gruyter GmbH & Co. KG [Mitarb.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 3,2, 2. Teilband): Kommentar zu Nietzsches "Die fröhliche Wissenschaft" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2022

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.73067#0226
Lizenz: In Copyright
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Stellenkommentar FW 341, KSA 3, S. 570 1267

nicht überhaupt einfältig ist." (Hartmann 1869, 534; vgl. auch Hartmann 1880,
45, wo die Kant-Stelle diskutiert wird.) Hartmanns Formulierung „noch einmal
genau in derselben Weise" reicht noch näher als die Schopenhauer-Zitate an
FW 341 heran, wo ebenfalls die exakte Wiederholung betont wird: „Alles in der
selben Reihe und Folge" (570, 15 f.).
Während Kant, Schopenhauer und Hartmann pessimistisch meinen, die so
oder so gestellte Frage nach der Wiederholung des Lebens sei bei entsprechen-
der Einsicht eindeutig zu verneinen, was dem ,Zähneknirschen' (vgl. 570, 20)
in FW 341 korrespondiert, zieht N.s Text aber noch eine andere, positive Reakti-
onsmöglichkeit in Erwägung: Mit seiner Vorstellung eines „ungeheuren Augen-
blickls]" (570, 22) bzw. einer dauerhaften Zufriedenheit des Menschen mit sich
und dem Leben (vgl. 570, 28 f.) zielt er letztlich auf eine Haltung der Bejahung
der unendlichen Wiederholung - wenn auch nur unter den hypothetisch-kon-
ditionalen Vorzeichen eines Gedankenexperiments: Dass tatsächlich alles im-
mer wiederkehrt, behauptet der Text ja gar nicht, sondern er spielt nur durch,
wie das angesprochene „du" auf diesen ,dämonischen' Gedanken reagieren
würde. Auch geht es hier nicht um eine Wiederholungsfrage in der Todesstun-
de, sondern in jedem einzelnen Moment des Lebens: „bei Allem und Jedem".
Vgl. aber die Formulierung in Za III Vom Gesicht und Räthsel 2, KSA 4, 199, 12-
14, die, wie die zitierten Prätexte, ebenfalls die Todesvorstellung aufruft, der
mit dem „Muth" des Wiederkunfts-Gedankens zu begegnen sei: „Muth aber ist
der beste Todtschläger, Muth, der angreift: der schlägt noch den Tod todt, denn
er spricht: ,War das das Leben? Wohlan! Noch Ein Mal!'"
570, 28-31 Oder wie müsstest du dir selber und dem Leben gut werden, um
nach Nichts mehr zu verlangen, als nach dieser letzten ewigen Bestätigung
und Besiegelung? -] Im Korrekturbogen lautete der Schluss zunächst noch in
sportlich-heroischer Metaphorik: „Oder würdest du jener Athlet und Held wer-
den, der diess Gewicht tragen und doch 'noch' mit ihm nicht emporsteigen
könnte? Stelle dir den mächtigsten Gedanken vor Augen - und du wirst zu-
gleich das Ideal erblicken, das vor den mächtigsten Menschen der Zukunft her-
geht!" (Cb, 255) Eine Zwischenfassung hat N. darunter notiert „Oder wie müss-
test du dem Leben und dir selber gut sein ''werden-', um - zu können / dies
Gewicht nicht als höchste Last, sondern als höchste Lust zu empfinden?" Einen
ähnlichen Wortlaut, der sogar noch näher an die Druckfassung von FW 341
herankommt, hatte N. zwischenzeitlich offenbar auch (für den Schluss von)
FW 334 erwogen; vgl. Cb, 241f., zitiert in NK FW 334.
Im Unterschied zu dem „Oder", mit dem das angesprochene Du gefragt
wird, ob es „einmal einen ungeheuren Augenblick erlebt" hat (570, 21 f.), in
dem ihm die Wiederkunftslehre des Dämons ,göttlich' vorgekommen wäre,
zielt das zweite „Oder" am Ende des Textes nicht auf einen vergangenen Mo-
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften