Stellenkommentar FW 341-342, KSA 3, S. 570-571 1269
und er wird an dieser Stelle auch darüber im Unklaren gelassen, dass „la gaya
scienza" erst der Untertitel der Neuausgabe von 1887 ist, die ja keineswegs mit
FW 342 endet).
Die lateinische Titelformel „Incipit tragoedia" wird in deutscher Über-
setzung am Ende von FW 382, dem vorletzten Abschnitt des Fünften Buchs,
,wiederholt': „die Tragödie beginnt ..." (637, 15) Im Druckmanuskript stand
„Incipit tragoedia" (D 16a, 57) ursprünglich auch unter dem Text von FW 382,
wurde dann allerdings gestrichen. Als „Incipit" werden in der Philologie die
ersten Worte eines Textes bezeichnet, die anstelle des Titels dienen, z. B. bei
(titellosen) Gedichten; im Mittelalter und der Frühen Neuzeit stand der Begriff
überdies oft formelhaft am Anfang von Texten - ebenso wie der Gegenbegriff
„Explicit" am Ende, wie in Petris Handbuch der Fremdwörter ausgeführt wird:
„explicit (abgekürzt aus volumen explicitum est, d. h. die Bücherrolle ist abge-
wickelt), das Buch ist zu Ende, gewöhnlich am Ende alter Drucke und Hand-
schriften stehend, wie zu Anfange derselben incipit, d. h. es fängt an" (Petri
1861, 308). FW 342 endet zwar nicht mit einer entsprechenden „Explicit"-Flos-
kel, aber dafür mit einem Satz, der den Bogen zurück zum „Incipit tragoe-
dia"-Titel schlägt: „Also begann Zarathustra's Untergang." (571, 28 f.) Dass es
sich bei dem Text um keinen Tragödienbeginn im strengen Gattungssinn han-
delt, erhellt allein schon aus der narrativen Prosaform (die in Za I Vorrede 1
durch eine andere Zeilengliederung der Figurenrede quasi lyrisiert wird), was
verschiedene philosophische Interpreten freilich nicht davon abhielt, Za im
Ganzen als „Drama" oder „Tragödie" zu klassifizieren (vgl. hierzu NK 346, 26-
32). Der Schlusspassus von FW Vorrede 1 zitiert zwar das „,Incipit tragoe-
dia'" (346, 28), warnt aber den Leser zugleich, „auf seiner Hut" (346, 30) zu
sein, und gibt zu verstehen, dass es zumindest auch als „incipit parodia"
(346, 31) zu lesen sei, als Beginn einer Parodie also. Vgl. dagegen die pathe-
tisch-ontopoetologische Deutung Heideggers: „Die Tragödie beginnt. Welche
Tragödie? Antwort: die Tragödie des Seienden als solchen." (HGA 6/1, 246 f.)
Zum Tragödien- als Parodie-Beginn in und ausgehend von FW 342 siehe
Gooding-Williams 1995 und Benne 2015b; zum Zusammenhang von FW 342,
FW 382 und FW Vorrede 1 vgl. auch Conway 1997, 126 f., Viesenteiner 2010,
340-342, Stegmaier 2012b, 621 f. und Meyer 2019a, 257 f.
In der Sekundärliteratur ist der Status von FW 342 nicht unumstritten.
Schon Möbius 1904, 101 moniert: „Nr. 342 enthält ganz und gar unmotiviert die
Anfangsworte des Zarathustra-Buches." Noch Strobel 1998, 166, Anm. 15 zählt
den Text deshalb gar nicht im eigentlichen Sinn zum Vierten Buch bzw. zu FW
als Gesamtwerk, da er „weder Form noch Inhalt eines Aphorismus" aufweise
(zur Problematik des Aphorismus-Begriffs vgl. ÜK 3). Zu anderen Lesarten, die
von einer durchkomponierten finalen Dreierkette FW 340-342 ausgehen, vgl.
und er wird an dieser Stelle auch darüber im Unklaren gelassen, dass „la gaya
scienza" erst der Untertitel der Neuausgabe von 1887 ist, die ja keineswegs mit
FW 342 endet).
Die lateinische Titelformel „Incipit tragoedia" wird in deutscher Über-
setzung am Ende von FW 382, dem vorletzten Abschnitt des Fünften Buchs,
,wiederholt': „die Tragödie beginnt ..." (637, 15) Im Druckmanuskript stand
„Incipit tragoedia" (D 16a, 57) ursprünglich auch unter dem Text von FW 382,
wurde dann allerdings gestrichen. Als „Incipit" werden in der Philologie die
ersten Worte eines Textes bezeichnet, die anstelle des Titels dienen, z. B. bei
(titellosen) Gedichten; im Mittelalter und der Frühen Neuzeit stand der Begriff
überdies oft formelhaft am Anfang von Texten - ebenso wie der Gegenbegriff
„Explicit" am Ende, wie in Petris Handbuch der Fremdwörter ausgeführt wird:
„explicit (abgekürzt aus volumen explicitum est, d. h. die Bücherrolle ist abge-
wickelt), das Buch ist zu Ende, gewöhnlich am Ende alter Drucke und Hand-
schriften stehend, wie zu Anfange derselben incipit, d. h. es fängt an" (Petri
1861, 308). FW 342 endet zwar nicht mit einer entsprechenden „Explicit"-Flos-
kel, aber dafür mit einem Satz, der den Bogen zurück zum „Incipit tragoe-
dia"-Titel schlägt: „Also begann Zarathustra's Untergang." (571, 28 f.) Dass es
sich bei dem Text um keinen Tragödienbeginn im strengen Gattungssinn han-
delt, erhellt allein schon aus der narrativen Prosaform (die in Za I Vorrede 1
durch eine andere Zeilengliederung der Figurenrede quasi lyrisiert wird), was
verschiedene philosophische Interpreten freilich nicht davon abhielt, Za im
Ganzen als „Drama" oder „Tragödie" zu klassifizieren (vgl. hierzu NK 346, 26-
32). Der Schlusspassus von FW Vorrede 1 zitiert zwar das „,Incipit tragoe-
dia'" (346, 28), warnt aber den Leser zugleich, „auf seiner Hut" (346, 30) zu
sein, und gibt zu verstehen, dass es zumindest auch als „incipit parodia"
(346, 31) zu lesen sei, als Beginn einer Parodie also. Vgl. dagegen die pathe-
tisch-ontopoetologische Deutung Heideggers: „Die Tragödie beginnt. Welche
Tragödie? Antwort: die Tragödie des Seienden als solchen." (HGA 6/1, 246 f.)
Zum Tragödien- als Parodie-Beginn in und ausgehend von FW 342 siehe
Gooding-Williams 1995 und Benne 2015b; zum Zusammenhang von FW 342,
FW 382 und FW Vorrede 1 vgl. auch Conway 1997, 126 f., Viesenteiner 2010,
340-342, Stegmaier 2012b, 621 f. und Meyer 2019a, 257 f.
In der Sekundärliteratur ist der Status von FW 342 nicht unumstritten.
Schon Möbius 1904, 101 moniert: „Nr. 342 enthält ganz und gar unmotiviert die
Anfangsworte des Zarathustra-Buches." Noch Strobel 1998, 166, Anm. 15 zählt
den Text deshalb gar nicht im eigentlichen Sinn zum Vierten Buch bzw. zu FW
als Gesamtwerk, da er „weder Form noch Inhalt eines Aphorismus" aufweise
(zur Problematik des Aphorismus-Begriffs vgl. ÜK 3). Zu anderen Lesarten, die
von einer durchkomponierten finalen Dreierkette FW 340-342 ausgehen, vgl.