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Kaufmann, Sebastian; Nietzsche, Friedrich; Walter de Gruyter GmbH & Co. KG [Contr.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Contr.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 3,2, 2. Teilband): Kommentar zu Nietzsches "Die fröhliche Wissenschaft" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2022

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https://doi.org/10.11588/diglit.73067#0236
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Stellenkommentar FW 343, KSA 3, S. 573 1277

bekannte gerichtete Aufbruchsstimmung, bei der „unser Herz [...] über[strömt]
von Dankbarkeit, Erstaunen, Ahnung, Erwartung" (574, 18 f.). Statt die „alte
Welt", wie es den „Wenigen" eingangs zugeschrieben wurde, immer „abendli-
cher" (573, 16), ,untergehender' zu sehen, fühlt sich das in FW 343 sprechende
Wir angesichts des Gottestodes umgekehrt gerade „wie von einer neuen Mor-
genröthe angestrahlt" (574, 17 f.). Die vom Titel des Abschnitts aufgeworfene
Frage, „Was es mit unserer Heiterkeit auf sich hat", die auf andere
Titelfragen in FW V (vgl. FW 344, FW 367, FW 372 und FW 375) vorausweist,
ließe sich also dahingehend beantworten, dass es sich um eine zukunftsfrohe,
entdeckungsfreudige Heiterkeit angesichts des Glaubwürdigkeitsverlusts des
christlichen Gottes handelt, die jedoch ihrerseits von dem Wissen um die de-
struktiven Langzeitfolgen dieses Ereignisses überschattet wird und somit den
Verdacht provoziert, eben nur eine kurze Freude zu sein. Die darin enthaltene
„Gefahr" (574, 22) reflektiert der Text selbst.
Zur Infragestellung der „Heiterkeit" in FW 343 vgl. schon Young 1992, 112,
in dessen Augen den Abschnitt „a sense of Spenglerian doom envelops", und
Zittel 2000, 145, der hierin „lediglich subjektive Illusionen" am Werke sieht,
die darüber hinwegtäuschen, „daß dem [sic] eigenen Morgenröthen keine Zu-
kunft beschieden sein wird", sowie Ansell-Pearson 2005a, 30-40, hier 36, der
die Lesart vorschlägt, der Ausdruck „Heiterkeit" sei „used ironically in the
sense of ,that's going to be fun', as for example, when out for a walk, you
watch a huge black cloud approaching and foresee getting drenched." Siehe
auch Stegmaier 2012b, 91-120, der treffend von der „Kurzzeitwirkung" und
„Zwischenzeit" (Stegmaier 2012b, 112) der Heiterkeit spricht, die er als ,reifge-
wordene Fröhlichkeit' versteht (vgl. ebd., 96), sowie Wenner 2017, 136-140, der
den Abschnitt im Kontext der Seefahrts- und Entdeckermetaphorik in FW liest
und dabei ähnlich „zwei Phasen" der Zukunft nach dem Gottestod in FW 343
unterscheidet: „kurzfristig: Heiterkeit, langfristig: Schrecken" (ebd., 137). In
anderen Teilen der Forschung wird der Abschnitt dagegen als ungebrochener
Ausdruck „eines Utopismus der Erneuerung" gelesen, in dessen Perspektive
„durch den Tod Gottes [...] der Mensch seine Freiheit, seine absolute Freiheit"
gewinne (Meyer 1994, 136). Auf die „liberating effects of the death of God on
the free spirit" hebt auch Franco 2011, 210 ab. In fundamentaltheologischer
Sicht möchte Neuhaus 2017, 84 die Heiterkeit zur Langzeitfolge umwidmen, die
„über die kommenden Katastrophen hinaus[reicht]". Recht optimistisch ge-
stimmt liest noch Ure 2019, 203-205, hier 203 den Eröffnungsabschnitt des
Fünften Buchs, wenn er ihn unter dem Gesichtspunkt der „,free spirits' as the
earliest advocates of the rebirth of European culture" betrachtet.
Bei der Vorbereitung der Neuausgabe von FW gab es offenbar zunächst
einen Irrtum hinsichtlich der Zählung der Abschnitte, so dass FW 343 zusam-
 
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