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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 5,1): Kommentar zu Nietzsches "Jenseits von Gut und Böse" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.69929#0184
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164 Jenseits von Gut und Böse

Steaks in N.s Spätphilosophie siehe NK KSA 6, 196, 16 f., zu N.s „Leibwort“
Physiologie auch Döring 2015) In NL 1885, KSA 11, 34[158], 474 ist der zweite
Teil von JGB 15 vorgeformt: „NB. Die Außen-Welt ist das Werk unserer Organe
folglich ist unser Leib, ein Stück Außenwelt, das Werk unserer Organe — folg-
lich sind unsere Organe das Werk unserer Organe. Dies ist eine vollständige
reductio ad absurdum: folglich ist die Außenwelt nicht das Werk unserer Orga-
ne.“ (Erste Fassung nach KGW IX 1, N VII1, 85 f.: „Die rAußen-''Welt ist abhän-
gig von unseren Organen folglich ist unser Leib, rein Stück Außenwelt,'' abhän-
gig von unseren Organen - folglich sind unsere Organe abhängig von unseren
Organen. Aber dies ist eine reductio ad absurdum: folglich ist die Außenwelt
nicht abhängig von unseren Organen.“) Was JGB 15 am Ende als Frage formu-
liert, war in den beiden früheren Fassungen eine indikativische Folgerung,
nämlich die Zurückweisung einer Auffassung, die die Außenwelt zum Produkt
unserer selbst erklärt - was sowohl der dogmatische Idealist tun kann, der die
Außenwelt zum Produkt des Geistes erklärt, als auch der dogmatische Sensua-
list, der die Außenwelt für das Produkt des Sinnenapparates hält. Eine Überle-
gung in ähnlicher Richtung hat bereits NL 1883/84, KSA 10, 24[35], 663 ange-
stellt: „Unsre Sinnesorgane als Ursachen der Außenwelt? Aber sie selber sind
ja auch erst Wirkungen unsrer ,Sinne4. — Unser Bild vom Auge ist ein Erzeug-
niß des Auges.“
JGB 15 wurde in der englischsprachigen Diskussion seit Clark 1990 zum
Schlüsseltext systematisch interessierter Interpretationen aufgewertet, die N.
entweder auf einen regulativen Sensualismus (Clark/Dudrick 2004; Clark/Du-
drick 2012, 98-112) oder einen von Ernst Mach beeinflussten Phänomenalismus
(Hussain 2004a und Hussain 2004b) festlegen wollen. In dieser Debatte wer-
den zwar Friedrich Albert Langes Geschichte des Materialismus (Hussain
2004a, 122 f., vgl. auch die bei Fornari 2009, 37, Fn. 98 mitgeteilte Stelle aus
Lange 1887, 713) sowie Afrikan Spirs Denken und Wirklichkeit als die vermeint-
lich maßgeblichen Subtexte von JGB 15 herangezogen, jedoch weitgehend
ohne den philologischen Befund im Nachlass zu berücksichtigen. Somit bleibt
außer Betracht, dass der Absatz Überlegungen aus unterschiedlichen Nach-
lasskontexten zusammenschweißt und die angebliche, freilich sehr unter-
schiedlich ausgelegte Argumentationskohärenz keineswegs von Anfang an ge-
geben war. Clark/Dudrick 2012,109 verweisen als „source“ von JGB 15 auf Spir
1877, 1, 135, wo es heißt: „John Stuart Mill war einer von den sehr wenigen
Denkern, welche vollkommen klar einsehen, dass dasjenige, was wir als Kör-
per erkennen, unsere eignen Empfindungen sind. Unter diesen Denkern war
aber Mill, so viel ich weiss, der einzige, der den Versuch gemacht hat, unsere
Erkenntniss der Körperwelt aus den gegebenen Empfindungen allein abzulei-
ten, ohne physiologische Erfahrungen mit herbeizuziehen, was unerlaublich
 
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