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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 5,1): Kommentar zu Nietzsches "Jenseits von Gut und Böse" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.69929#0801
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Stellenkommentar JGB 278, KSA 5, S. 228-229 781

229, 2 Die Melancholie alles Fertigen!....] Solche Melancholie ist auch im
allerletzten Abschnitt des Werkes, JGB 296, KSA 5, 239 f. greifbar.
278.
Vorbereitende Aufzeichnungen zu JGB 278 lauten in KGW IX 2, N VII 2, 124,
2-14 u. 28-40 sowie 123, 2-8 u. 30-32 (das Verhältnis dieser Textbausteine
zueinander und ihre Abfolge ist nicht ganz klar): „Ohne Hohn und ohne Liebe?
aber als Versucher rversucherisch seines Weges gehen;'' u Seelenkundiger sei-
nes Weges gehen, unerrathbar blickend; mit stummen Fragen an rvor'' allem
Fragwürdigen; mit langsamen ''zögernden'1 Augen, rüberair wo bisher bewun-
dert wurde; ein Senkblei, das immer wieder ungesättigt aus jeder Tiefe ans
Licht kommt; ein Mund ohne Seufzer, eine Lippe ohne Ekel: r- Was brauchst
du noch?'' Zur Erholung eine Maske“ (124, 2-14, von N. durchgestrichen).
„Ohne Hohn u ohne Liebe, aber als Versucher u. Seelenkundiger seine runer-
rathbaren'1 Wege fragen ''gehen'', mit ''stummen'' Fragen für ran'' alle Fragwürdi-
gen, rmit langsamem Auge für alles, was bewundert wird'' mit einem Senkblei,
welches rbisher immer noch'' ungesättigt aus allem bisherig Tiefen-Gcnanntcn
blieb wieder ans Licht kam“ (123, 2-8). „''Wanderer,'' Wer bist du? Ich sehe
dich deines Weges gehen, ohne Hohn, ohne Liebe, versucherisch. Du blickst
unerrathbar, du frägst stumme Fragen; - Ein zögerndes rMit langsamem'' Auge
überall wo verehrt wird; ein Senkblei, das ''ungesättigt'' aus jeder Tiefe durstig
ans Licht kommt rempor kommt'', ein [sic] Brust ohne Seufzer, eine Lippe ohne
Ekel reine Hand, die nicht mehr zugreiftn: wer bist du? - Ich weiß es nicht.
Vielleicht Oedipus. Vielleicht die Sphinx. Laß mich gehen! -“ (124, 28-40 u.
123, 30-32).
Im Vergleich springt zunächst ins Auge, dass die Druckfassung JGB 278
jeden direkten Bezug auf den in den Vorarbeiten so prominenten „Versucher“,
die Charakterisierung des Wanderers als „versucherisch“ ausspart. Damit wird
der Assoziationsspielraum hin zum Teuflisch-Mephistophelischen abgeschnit-
ten. Ebenso wird der Antwortversuch der Manuskriptfassung auf die Frage, wer
der Wanderer sei, unterbunden. Diese Fassung brachte (wieder einmal) Oedi-
pus und die Sphinx ins Spiel und evozierte in der Begegnung mit einem Wan-
derer das fatale Zusammentreffen von Oedipus mit seinem von ihm nicht er-
kannten Vater Laios, bei dem der Sohn den Vater schließlich getötet hatte
(Apollodor: Bibliothek III5, 7). Die Druckversion tilgt die konkreten Bezüge und
schafft dadurch größere Offenheit, die die Form von JGB 278 noch unter-
streicht: Der dialogisch gestaltete Kurztext beginnt (wie JGB 277, KSA 5, 228,
26) mit einem Gedankenstrich, der den Leser mitten in ein anscheinend schon
früher begonnenes Geschehnis hineinzieht, das er als nicht weiter über die
 
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