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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 5,2): Kommentar zu Nietzsches "Zur Genealogie der Moral" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2019

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https://doi.org/10.11588/diglit.70912#0029
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10 Zur Genealogie der Moral

Zur Genealogie der Moral" mit einer „gewisse[n] Unruhe" vor: „Denn —
ich weiß es nur zu gut — alle Schüsseln, welche von mir aufgetischt werden,
enthalten so viel Hartes und Schwerverdauliches, daß zu ihnen sich noch Gäs-
te einladen und so verehrte Gäste wie Sie es sind! eigentlich eher ein Miß-
brauch freundschaftlich-gastfreundschaftlicher Beziehungen ist. Man sollte
mit solcher Nußknackerei hübsch bei sich bleiben und nur die eignen Zähne
in Gefahr bringen. Gerade in diesem neuesten Falle handelt es sich um psycho-
logische Probleme härtester Art: so daß es fast mehr Muth bedarf, sie zu
stellen als irgend welche Antworten auf sie zu riskiren. Wollen Sie mir noch
einmal Gehör schenken?... Jedenfalls bin ich diese Abhandlungen Ihnen schul-
dig, weil sie im engsten Bezüge zu dem letztübersandten Buche (Jenseits von
Gut und Böse') stehn. Es ist möglich, daß ein Paar Hauptvoraussetzungen jenes
schlecht zugänglichen Buchs hier deutlicher herausgekommen sind; — we-
nigstens gieng meine Absicht dahin. Denn alle Welt hat mir über jenes Buch
das Gleiche gesagt: daß man nicht begreife, um was es sich handle, daß es
so etwas sei wie ,höherer Blödsinn': zwei Leser ausgenommen, Sie selbst,
hochverehrter Herr Professor, und andererseits einer Ihrer dankbarsten Vereh-
rer in Frankreich, Ms. Taine." (KSB 8/KGB III 5, Nr. 952, S. 198, Z. 6-29) Dieses
Schreiben, das Burckhardt als prädestinierten Leser auserkoren hat und ihm
damit quasi eine Stellungnahme zu GM abnötigt (die allerdings nicht kommt),
macht ein Paradox augenfällig: Einerseits soll GM, wie N. zu wiederholen nicht
müde wird, verdeutlichen, was in JGB unzugänglich und schwer verständlich
erschienen war, andererseits wird GM selbst als schwer verdaulich ausgewie-
sen, also als ein Werk, dem es gerade nicht gelingt, die Rolle einer leicht ver-
ständlichen Einführung in die Denkwelt von JGB zu übernehmen. Das (auch
anderen Autoren wohlbekannte) Ausbleiben von gehaltvollen Reaktionen hat
N. gegenüber Köselitz schon am 20. 12. 1887, also kaum einen Monat nach Er-
scheinen des Werks beklagt: Es habe auf das neue Buch hin nur zwei Briefe
gegeben, „allerdings sehr schöne", nämlich von Carl Fuchs und Georg Brandes
(KSB 8/KGB III 5, Nr. 964, S. 212 f., Z. 49-51). Tatsächlich hatte der dänische
Gelehrte Brandes GM sowie frühere ihm zugesandte Werke zum Anlass genom-
men, mit N. in persönlichen Kontakt zu treten, und N. ein Stichwort geliefert,
das ihm zur Selbstcharakterisierung zu taugen schien, „den Ausdruck ,aristo-
kratischer Radikalismus'" (ebd., S. 213, Z. 55). In seinem Brief vom 26. 11. 1887
hatte Brandes beteuert: „Ich verstehe noch nicht völlig was ich gelesen habe;
ich weiss nicht immer wo Sie hinaus wollen. Aber vieles stimmt mit meinen
eignen Gedanken und Sympathien überein, die Geringschätzung der asketi-
schen Ideale und der tiefe Unwille gegen demokratische Mittelmässigkeit, Ihr
aristokratischer Radikalismus." (KGB III 6, Nr. 500, S. 120, Z. 16-21) Brandes'
Formel schien N. im Brief an Köselitz vom 20. 12. 1887 in seiner Selbstwahrneh-
 
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