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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 5,2): Kommentar zu Nietzsches "Zur Genealogie der Moral" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2019

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https://doi.org/10.11588/diglit.70912#0217
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198 Zur Genealogie der Moral

lich unabhängiger Quelle beizubringen, sondern vielmehr den thematischen
Übergang von den sklavenmoralischen Werten zur sklavenmoralischen Escha-
tologie zu bewerkstelligen, also eine Brücke zu schlagen von der Frage, was
der Zu-kurz-Gekommene nach sklavenmoralischer Direktive tun soll, zur Fra-
ge, was er hoffen darf, für sich (nämlich Seligkeit) und vor allem für die „bö-
sen" anderen (nämlich Gericht und Hölle). In den abschließenden Kapiteln
wird es nach der mythologisierenden Idealwerkstattbesichtigung (oder: Ideal-
werkstattabhörung) anhand von explizit genannten und zitierten christlichen
Gewährsmännern erstmals historisch sehr konkret.
Zur Dialogform bei N. ausführlich Zittel 2016, allerdings ohne ausführli-
chen Bezug auf GM I 14. GM II 11 bezieht sich zurück auf GM I 14, vgl. NK 309,
30-310, 5. EH MA 1 wiederum nimmt das Motiv einer „Unterwelt des Ideals"
(KSA 6, 323, 3) auf, in das schon MA hineinzuleuchten versucht hatte, worauf
Hans Blumenberg in seinem Buch Höhlenausgänge zurückgreift (Blumenberg
1989), ohne freilich den Bezug zu GM I 14 zu erkennen (hierzu siehe Niehues-
Pröbsting 2011, 208 f.).
281, 9 f. Hier ist der Blick offen in diese dunkle Werkstätte} Von „dunkle[n]
Werkstätte[n]" ist in Texten des 19. Jahrhunderts häufiger und in verschiede-
nen Kontexten die Rede. N. dürfte der Wendung bei Hartmann 1878, 1, 15 bege-
genet sein, der von der „innere[n] dunkle[n] Werkstätte der Gefühle, der Lei-
denschaften und der Handlungen" spricht. Interessant ist auch Schellings Ver-
wendung des Ausdrucks, der die „dunkle Werkstätte" als den „jenseits aller
Poesie" gelegenen „Erzeugungsort der Mythologie" benennt (Schelling 1856,
18).
281, 32-282, 1 „denn sie wissen nicht, was sie thun — wir allein wissen es, was
sie thun!"] Vgl. Lukas 23, 34: „Jesus aber sprach: Vater, vergieb ihnen: denn
sie wissen nicht, was sie thun" (Die Bibel: Neues Testament 1818, 105).
282, If. Auch redet man von der „Liebe zu seinen Feinden" — und schwitzt da-
bei.] Die Feindesliebe gilt gemeinhin als christliche Schlüsseltugend, vgl. Mat-
thäus 5, 44 u. Lukas 6, 27. In GM I 10 wird sie allerdings ausdrücklich in die
Nähe einer vornehmen Moral gerückt, um damit den Anschein zu erwecken,
der christliche Anspruch darauf sei bloß abgeleitet, parasitär, vgl. NK 273, 26-
33. Dass die Sklavenmoralfabrikateure bei ihrem Reden über die Liebe zu den
Feinden schwitzen, deutet auf ihre Unehrlichkeit hin: „Auch mit falschen Wür-
feln wissen sie zu spielen; und so eifrig fand ich sie spielen, dass sie dabei
schwitzten" (ZA II Von den Gelehrten, KSA 4, 161, 32 f.) - entweder wegen ihres
Eifers oder wegen ihrer Angst, ertappt zu werden, wird man ergänzen dürfen.
Zum Motiv des Schwitzens vgl. NK KSA 6, 13, 22-24 und NK KSA 6, 111, 11 f.
 
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