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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 5,2): Kommentar zu Nietzsches "Zur Genealogie der Moral" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2019

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https://doi.org/10.11588/diglit.70912#0288
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Stellenkommentar GM II 5, KSA 5, S. 299 269

schimpfungen unterwirft, so dass er der Schmach und Schande verfällt" (N.s
Unterstreichungen). Das Motiv, eine Schuld mit dem eigenen Fleisch abzugel-
ten, kehrt bekanntlich in der N. seit Schülertagen (vgl. N. an Franziska Nietz-
sche, 22.-25. 02. 1860, KGB 1/1, Nr. 130, S. 94, Z. 7-9) wohlbekannten Komödie
The Merchant of Venice von William Shakespeare wieder, wo der christliche
Kaufmann Antonio dem Juden Shylock ein Pfund seines Fleisches verpfändet
und dieser nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit unerbittlich, wenngleich
schließlich erfolglos Antonios Herz einfordert. GM spielt auf Shakespeares
Stück freilich mit keinem Wort an (vgl. Stegmaier 1994, 227, Anm. 27), während
Kohler 1885a, 19 es an der eben zitierten Stelle sehr wohl tut und weiter unten
fortfährt: „An dem Tage, an welchem das Recht diese Verträge für unzulässig
und ungültig erklärt, an dem nämlichen Tage ist eine neue Phase der Rechts-
entwickelung eingetreten; und wenn die Porzia den Schein Shylocks zerreisst,
jauchzt unser Herz auf, wie es immer aufjauchzen wird, sobald in die seitherige
Nacht der erlösende Lichtstrahl dringt." (Ebd., 19) „Schon in Stadtrechten des
Mittelalters wird dem verunglückten Konkursmann eine mildere Behandlung
gewährt: zuerst werden gewisse, besonders frappante Unglücksfälle ausge-
schieden, dann wird der schuldlose Zahlungsunfähige überhaupt milder be-
handelt — mit um so grösserer Schärfe kann sich die Rechtsordnung des Ban-
kerotteurs [sic] bemächtigen, und wie früher der Zahlungsunfähige überhaupt,
so ist jetzt der Bankrotteur dem Gefängniss, dem Zuchthause, ja dem Tode
verfallen; nicht mehr verfolgt den verarmten Schuldner das Messer Shylocks,
aber den Betrüger ereilt das Beil des Henkers." (Ebd., 20, N.s Unterstreichun-
gen, letzte Halbsätze nach dem Gedankenstrich mit doppelter Randanstrei-
chung von seiner Hand).
299, 19-23 und es gab frühzeitig und überall von diesem Gesichtspunkte aus
genaue, zum Theil entsetzlich in's Kleine und Kleinste gehende Abschätzungen,
zu Recht bestehende Abschätzungen der einzelnen Glieder und Körperstellen.]
Vgl. Kohler 1885a, 17: „Die Glieder des Leibes unterliegen frühzeitig einer
Schätzung, schon desshalb, damit für den Fall der Verletzung eine bestimmte
Composition feststeht. Nun darf der Gläubiger dem Schuldner nicht mehr vom
Körper hauen, als nöthig, damit auf diese Weise ein entsprechendes Aequiva-
lent gegeben ist, und wenn mehrere Gläubiger den Schuldner in Konkurs brin-
gen, so darf keiner mehr schneiden, als seiner Forderung entspricht. So finden
wir die Sache noch im altnordischen Rechte." (Von N. mit Randstrich markiert,
seine Unterstreichung.) In Posts Bausteinen für eine allgemeine Rechtswissen-
schaft fand N. eine genaue Aufstellung, wie viel in bestimmten Rechtsordnun-
gen an leiblicher Kompensation zu leisten war, wobei sich diese Listen nicht
auf Schuldverhältnisse, sondern auf Tatbestände einer nach Vergeltung hei-
schenden Körperverletzung beziehen (Post 1880-1881, 1, 332-336).
 
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