Stellenkommentar GM II 6, KSA 5, S. 301 277
macht hat, nämlich Harald Höffdings Psychologie in Umrissen auf Grundlage
der Erfahrung, von dem auch die „uninteressierte Bosheit" herstammt: „Geht
man vom Instinkt der Selbsterhaltung als ursprünglicher Grundlage aus, wel-
che durch den nach den Gesetzen der Vorstellungsverbindung wirkenden Ein-
fluss der Erfahrungen abgeändert wird, so wird man ([...]) ebensowohl ein herr-
schendes Gefühl des Hasses, des Neides und der Bosheit konstruieren können,
als ein herrschendes Gefühl der Sympathie. /319/ Hierauf hat schon Spinoza
aufmerksam gemacht. Wird nun gefragt, weshalb wir in der Psychologie nicht
die Entwicklung einer uninteressierten Bosheit verfolgen, dagegen aber bei der
Entwickelung der uninteressierten Liebe verweilen, so liegt die Antwort erstens
darin, dass die formellen Gesetze beider Entwickelungsprozesse die
nämlichen sind; es bedarf nur gleichsam einer Veränderung des Vorzeichens.
Der wichtigste Grund ist jedoch der, dass die uninteressierte Bosheit (malevo-
lent sympathy) in den Bedingungen des Lebens nicht dieselbe Nahrung
findet, wie das entgegengesetzte Gefühl." (Höffding 1887, 318 f., N.s Unterstrei-
chung, letzte zwei Zeilen auf S. 318 mit Randstrich markiert, am Rand auf der
Höhe der „malevolent sympathy" am Rand ein „gut" von N.s Hand.) Eine Fuß-
note zu Spinoza bringt ein Zitat aus Ethica III, propositio XXXII Scholion: „Wir
sehen also, dass aus der nämlichen Beschaffenheit der menschlichen Natur,
aus welcher es folgt, dass die Menschen barmherzig sind, auch folgt, dass sie
neidisch und ehrgeizig sind." (Höffding 1887, 319 Fn., von N. mit Randstrich
markiert.) Auch Höffding kennt den Begriff der „sympathia malevolens" nicht,
vielmehr hat ihn N., wie Brusotti 1992a, 390 herausstellt, selbst erschaffen als
lateinische Übersetzung des englischen Ausdrucks „malevolent sympathy"
und diese vermeintliche Rückübersetzung dann fälschlich auf Spinoza proji-
ziert. Höffding seinerseits weist den englischen Terminus nicht nach; er lässt
sich finden in Alexander Bains Werk The Emotions and the Will (Bain 1865,
129), das im Unterschied zu anderen Titeln Bains nicht in N.s Bibliothek über-
liefert ist.
Höffding ist an der zitierten Stelle nicht an Moralgefühlsgeschichte interes-
siert, sondern an scheinbaren psychoanthropologischen Konstanten. Dabei
führt er den von N. mit „gut" quittierten Gedanken weiter, dass die uninteres-
sierte Bosheit eben in der Lebenswirklichkeit schlechte Chancen hat, sich auf
Dauer durchzusetzen: „sie kann aber in der Natur nicht Wurzel schlagen, weil
sie dem Leben feindlich, nicht dasselbe erhaltend und fördernd ist. Auch wenn
sie im Kampfe zwischen den Interessen der Individuen, Familien, Rassen und
Konfessionen günstige Bedingungen findet, so geht die historische Entwicke-
lung im ganzen und grossen doch darauf aus, solche Disharmonie zu schlich-
ten und aufzuheben, die streitigen Interessen einem gemeinsamen Strom zuzu-
führen." (Höffding 1887, 319, von N. mit Randstrich und Ausrufezeichen mar-
macht hat, nämlich Harald Höffdings Psychologie in Umrissen auf Grundlage
der Erfahrung, von dem auch die „uninteressierte Bosheit" herstammt: „Geht
man vom Instinkt der Selbsterhaltung als ursprünglicher Grundlage aus, wel-
che durch den nach den Gesetzen der Vorstellungsverbindung wirkenden Ein-
fluss der Erfahrungen abgeändert wird, so wird man ([...]) ebensowohl ein herr-
schendes Gefühl des Hasses, des Neides und der Bosheit konstruieren können,
als ein herrschendes Gefühl der Sympathie. /319/ Hierauf hat schon Spinoza
aufmerksam gemacht. Wird nun gefragt, weshalb wir in der Psychologie nicht
die Entwicklung einer uninteressierten Bosheit verfolgen, dagegen aber bei der
Entwickelung der uninteressierten Liebe verweilen, so liegt die Antwort erstens
darin, dass die formellen Gesetze beider Entwickelungsprozesse die
nämlichen sind; es bedarf nur gleichsam einer Veränderung des Vorzeichens.
Der wichtigste Grund ist jedoch der, dass die uninteressierte Bosheit (malevo-
lent sympathy) in den Bedingungen des Lebens nicht dieselbe Nahrung
findet, wie das entgegengesetzte Gefühl." (Höffding 1887, 318 f., N.s Unterstrei-
chung, letzte zwei Zeilen auf S. 318 mit Randstrich markiert, am Rand auf der
Höhe der „malevolent sympathy" am Rand ein „gut" von N.s Hand.) Eine Fuß-
note zu Spinoza bringt ein Zitat aus Ethica III, propositio XXXII Scholion: „Wir
sehen also, dass aus der nämlichen Beschaffenheit der menschlichen Natur,
aus welcher es folgt, dass die Menschen barmherzig sind, auch folgt, dass sie
neidisch und ehrgeizig sind." (Höffding 1887, 319 Fn., von N. mit Randstrich
markiert.) Auch Höffding kennt den Begriff der „sympathia malevolens" nicht,
vielmehr hat ihn N., wie Brusotti 1992a, 390 herausstellt, selbst erschaffen als
lateinische Übersetzung des englischen Ausdrucks „malevolent sympathy"
und diese vermeintliche Rückübersetzung dann fälschlich auf Spinoza proji-
ziert. Höffding seinerseits weist den englischen Terminus nicht nach; er lässt
sich finden in Alexander Bains Werk The Emotions and the Will (Bain 1865,
129), das im Unterschied zu anderen Titeln Bains nicht in N.s Bibliothek über-
liefert ist.
Höffding ist an der zitierten Stelle nicht an Moralgefühlsgeschichte interes-
siert, sondern an scheinbaren psychoanthropologischen Konstanten. Dabei
führt er den von N. mit „gut" quittierten Gedanken weiter, dass die uninteres-
sierte Bosheit eben in der Lebenswirklichkeit schlechte Chancen hat, sich auf
Dauer durchzusetzen: „sie kann aber in der Natur nicht Wurzel schlagen, weil
sie dem Leben feindlich, nicht dasselbe erhaltend und fördernd ist. Auch wenn
sie im Kampfe zwischen den Interessen der Individuen, Familien, Rassen und
Konfessionen günstige Bedingungen findet, so geht die historische Entwicke-
lung im ganzen und grossen doch darauf aus, solche Disharmonie zu schlich-
ten und aufzuheben, die streitigen Interessen einem gemeinsamen Strom zuzu-
führen." (Höffding 1887, 319, von N. mit Randstrich und Ausrufezeichen mar-