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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 5,2): Kommentar zu Nietzsches "Zur Genealogie der Moral" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2019

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https://doi.org/10.11588/diglit.70912#0415
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396 Zur Genealogie der Moral

einem „Zukünftigeren"' (337, 4 f.) hier das Sprechen zustehe - „Zarathustra
dem Gottlosen" (337, 6). Auffällig ist, wie GM II 25 Zarathustra vom spre-
chenden „Ich" unterscheidet, das wie Johannes der Täufer nach Johannes 3,
30 als bloßer Ankündiger auftritt - Ankündiger dessen, was sein Autor freilich
selbst literarisch erst erschaffen hat. Nach dem Modell und mit den Attributen
der Titelfigur von Also sprach Zarathustra war bereits „der erlösende
Mensch" (336, 16) gestaltet. Jetzt ist diese literarische Figur der Literatur ent-
laufen und wird zur Zukunftslichtgestalt. Handelt es sich tatsächlich um den
Übermenschen, wie manche Forscher forsch behaupten (Bubbio 2008, 276)?
Wie kann ein Buchwesen die Buchweisheit hinter sich lassen? Immerhin
schafft die Zarathustra-Evokation die Überleitung zur Dritten Abhandlung, der
ein Zarathustra-Motto vorangestellt ist (339, 3-7).
337, 6 Zarathustra dem Gottlosen...} Er soll derjenige sein, der nach
GM II 24, KSA 5, 336, 31 f. „einst kommen" muss - obwohl er als literarische
Fiktion schon da ist.
Dritte Abhandlung: was bedeuten asketische Ideale?
339, 3-7 Unbekümmert, spöttisch, gewaltthätig /— so will uns die Weisheit: sie ist / ein Weib,
sie liebt immer nur einen / Kriegsmann. / Als o sprach Zarathustra.] Dieses Motto fehlt
im Druckmanuskript von GM III an dieser Stelle; N. scheint es spätestens bei
der Fahnenkorrektur eingefügt zu haben. Während die Erstauflage von GM es
in sehr kleiner Type auf einem Zwischentitelblatt zur Dritten Abhandlung ein-
rückt (1887a, 95, so auch in KGW VI 2, 355), setzt die KSA dieses Motto nicht
nur unter den Abhandlungstitel, sondern platziert es auf derselben Seite direkt
vor GM III 1. Das hat das Missverständnis befördert, der in GM Vorrede 8,
KSA 5, 255, 31-256, 2 angesprochene „Aphorismus", den die gesamte Abhand-
lung kommentiere, sei nicht GM III 1, sondern das Motto. Es stammt aus Za I
Vom Lesen und Schreiben und schlägt eine Brücke zum letzten Abschnitt von
GM II, der mit dem gottlosen Zarathustra endet. Im Za, wo das Zitat der Rede
der Titelfigur Zarathustra angehört, fehlt die Hervorhebung des Akkusativ-Per-
sonalpronomens, steht an der Spitze ein „Muthig" und ist zwischen die beiden
Teilsätze statt eines Kommas eine nebenordnende Konjunktion gesetzt: „Mu-
thig, unbekümmert, spöttisch, gewaltthätig — so will uns die Weisheit: sie ist
ein Weib und liebt immer nur einen Kriegsmann." (KSA 4, 49, 8-10) In NL 1887,
KGW IX 3, N VII 3, 32 u. 34 erscheint das Za-Zitat als Motto jeweils zum Titelent-
wurf von GM insgesamt, also nicht nur der Dritten Abhandlung. Es hat auch
keinen direkten thematischen Bezug auf die in GM III zum Gegenstand ge-
machten, asketischen Ideale: Das Plädoyer zugunsten des „Kriegsmannes",
 
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