Stellenkommentar GM II 25, KSA 5, S. 335-336 395
336, 6 f. denen die Eroberung, das Abenteuer, die Gefahr, der Schmerz sogar
zum Bedürfniss geworden ist] Die abschließende Klimax wirkt wie eine Traves-
tie oder eine Fortsetzung der Gewissensselbstquälerei, die GM II zum Gegen-
stand hat und lässt sich leicht ins Christlich-Masochistische zurückübersetzen.
336, 9 Eis und Gebirge in jedem Sinne] Spätestens seit seinen regelmäßigen
Aufenthalten in Sils-Maria hat N. eine Schwäche für alpinistisch-glaziologische
Metaphern entwickelt. „Eis" und „Gebirge" erscheinen seither als seine eigent-
lichen Lebenselemente: Philosophie als bewusst eisig-hochgebirgliches Da-
sein, vgl. z. B. NK KSA 6, 169, 5 f.; NK KSA 6, 258, 23-27 u. NK KSA 6, 258, 27-
30.
336, 14-19 Aber irgendwann, in einer stärkeren Zeit, als diese morsche, selbst-
zweiflerische Gegenwart ist, muss er uns doch kommen, der erlösende Mensch
der grossen Liebe und Verachtung, der schöpferische Geist, den seine drängende
Kraft aus allem Abseits und Jenseits immer wieder wegtreibt] In 336, 23 ist dann
noch explizit von „Erlösung" die Rede. Woher dieser Adventismus, dieser
Pfingstlergeist? Es ist die Travestie des veni creator spiritus zu Pfingsten. Soll
man das ernst nehmen?
336, 23-32 heimbringe: ihre Erlösung von dem Fluche, den das bisherige Ideal
auf sie gelegt hat. Dieser Mensch der Zukunft, der uns ebenso vom bisherigen
Ideal erlösen wird, als von dem, was aus ihm wachsen musste, vom gros-
sen Ekel, vom Willen zum Nichts, vom Nihilismus, dieser Glockenschlag des Mit-
tags und der grossen Entscheidung, der den Willen wieder frei macht, der der
Erde ihr Ziel und dem Menschen seine Hoffnung zurückgiebt, dieser Antichrist
und Antinihilist, dieser Besieger Gottes und des Nichts — er muss einst kom-
men...] Im Druckmanuskript stand ursprünglich nur: „wird... Dieser Mensch
der Zukunft, der uns von den bisherigen Idealen erlöst, der Besieger Gottes
muß einst kommen" (GSA 71/27,1, fol. 39r). Die Streichung und Änderung er-
folgte beim Hinzufügen von GM II 25 (KSA 14, 380). Die in der Erstfassung also
noch fehlende Formel „Besieger Gottes und des Nichts" macht die gewaltige
Paradoxie augenfällig, dass der christliche Gott zugleich auch das Nichts
will, - und die Menschen mit ihm das Nichts wollen. Die Gottesbesiegung wird
als Motiv in GM II 25, KSA 5, 337, 6 wieder aufgenommen. Faulkner 2013 möchte
plausibel machen, dass N. die Umwertung als Reinigungsprozess verstehe, der
eine philosophische Zukunftsgemeinschaft von allem Ekel befreie.
25.
Der letzte Abschnitt der Zweiten Abhandlung ist der kürzeste im ganzen Werk:
Das „Ich" fällt sich selbst ins Wort und verordnet sich Schweigen, weil nur
336, 6 f. denen die Eroberung, das Abenteuer, die Gefahr, der Schmerz sogar
zum Bedürfniss geworden ist] Die abschließende Klimax wirkt wie eine Traves-
tie oder eine Fortsetzung der Gewissensselbstquälerei, die GM II zum Gegen-
stand hat und lässt sich leicht ins Christlich-Masochistische zurückübersetzen.
336, 9 Eis und Gebirge in jedem Sinne] Spätestens seit seinen regelmäßigen
Aufenthalten in Sils-Maria hat N. eine Schwäche für alpinistisch-glaziologische
Metaphern entwickelt. „Eis" und „Gebirge" erscheinen seither als seine eigent-
lichen Lebenselemente: Philosophie als bewusst eisig-hochgebirgliches Da-
sein, vgl. z. B. NK KSA 6, 169, 5 f.; NK KSA 6, 258, 23-27 u. NK KSA 6, 258, 27-
30.
336, 14-19 Aber irgendwann, in einer stärkeren Zeit, als diese morsche, selbst-
zweiflerische Gegenwart ist, muss er uns doch kommen, der erlösende Mensch
der grossen Liebe und Verachtung, der schöpferische Geist, den seine drängende
Kraft aus allem Abseits und Jenseits immer wieder wegtreibt] In 336, 23 ist dann
noch explizit von „Erlösung" die Rede. Woher dieser Adventismus, dieser
Pfingstlergeist? Es ist die Travestie des veni creator spiritus zu Pfingsten. Soll
man das ernst nehmen?
336, 23-32 heimbringe: ihre Erlösung von dem Fluche, den das bisherige Ideal
auf sie gelegt hat. Dieser Mensch der Zukunft, der uns ebenso vom bisherigen
Ideal erlösen wird, als von dem, was aus ihm wachsen musste, vom gros-
sen Ekel, vom Willen zum Nichts, vom Nihilismus, dieser Glockenschlag des Mit-
tags und der grossen Entscheidung, der den Willen wieder frei macht, der der
Erde ihr Ziel und dem Menschen seine Hoffnung zurückgiebt, dieser Antichrist
und Antinihilist, dieser Besieger Gottes und des Nichts — er muss einst kom-
men...] Im Druckmanuskript stand ursprünglich nur: „wird... Dieser Mensch
der Zukunft, der uns von den bisherigen Idealen erlöst, der Besieger Gottes
muß einst kommen" (GSA 71/27,1, fol. 39r). Die Streichung und Änderung er-
folgte beim Hinzufügen von GM II 25 (KSA 14, 380). Die in der Erstfassung also
noch fehlende Formel „Besieger Gottes und des Nichts" macht die gewaltige
Paradoxie augenfällig, dass der christliche Gott zugleich auch das Nichts
will, - und die Menschen mit ihm das Nichts wollen. Die Gottesbesiegung wird
als Motiv in GM II 25, KSA 5, 337, 6 wieder aufgenommen. Faulkner 2013 möchte
plausibel machen, dass N. die Umwertung als Reinigungsprozess verstehe, der
eine philosophische Zukunftsgemeinschaft von allem Ekel befreie.
25.
Der letzte Abschnitt der Zweiten Abhandlung ist der kürzeste im ganzen Werk:
Das „Ich" fällt sich selbst ins Wort und verordnet sich Schweigen, weil nur