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Stellenkommentar GM Titel, KSA 5, S. 245 53

fol. lr. „Alles verstehen, heißt alles - verachten?..."). Entweder ist im Korrek-
turdurchgang dieser Satz gestrichen worden oder der Drucker hatte ihn überse-
hen, ohne dass dies bei der Korrektur bemerkt wurde. Stattdessen wird er dann
aufgenommen in NW Epilog 2, vgl. NK KSA 6, 439, 1. Es handelt sich um N.s
Abwandlung des im Nachlass gelegentlich zitierten Ausspruchs „Tout com-
prendre — c'est tout pardonner" (z. B. NL 1873, KSA 7, 29[57], 652. „Alles verste-
hen - heißt, alles vergeben"), den man auf Anne-Louise Germaine de Stael-
Holsteins Corinne, ou l'ltalie (XVIII, 5) zurückzuführen pflegt, wo sich freilich
der genaue Wortlaut nicht findet (noch im 20. Jahrhundert feiert er bei Hans
Robert Jauss fröhliche Urständ, vgl. Ette 2016). Mitte des 19. Jahrhunderts ist er
schon geläufig; in Heinrich Heines Französischen Zuständen heißt es z. B.: „die
Worte: ,Tout comprendre, c'est tout pardonner' las ich dieser Tage auf dem
Petschaft einer schönen Dame" (Heine 1862, 274). Vgl. auch NK KSA 6, 61, 10-
12. Ein weiterer Titelblattentwurf in N VII 3, 32, 28-43 (KGW IX 3) wählt ein
Motto aus Za I Vom Lesen und Schreiben (KSA 4, 49, 8-10): „Unbekümmert,
spöttisch, gewalt= / thätig - so will uns die Weisheit: / sie ist ein Weib, sie
liebt im= / mer nur einen Kriegsmann." (vgl. NL 1887, KSA 12, 5[74], 218, 8-12).
Dieser Satz wird schließlich das Motto von GM III, vgl. NK 339, 3-7.
Nietzsche 1887a, [II] Dem letztveröffentlichten „Jenseits von Gut und
Böse" zur Ergänzung und Verdeutlichung beigegeben.] Dieser Hinweis auf der
Rückseite des Titelblattes der gedruckten Erstausausgabe wird in KSA 5 und
KGW VI 2 unterschlagen (obwohl KGW VI 2, 257 das Titelblatt der Erstausgabe
von GM faksimiliert!) und nur in den Erläuterungen KSA 14, 377 mitgeteilt.
Er ist für den Stellenwert, den N. GM im Korpus seiner Schriften zuwies, von
erheblicher Bedeutung: Offensichtlich hatte GM aus N.s Sicht (im Unterschied
zur Einschätzung vieler späterer Interpreten) nur supplementären und explika-
torischen Charakter. In der zweiten und dritten Auflage wird der Hinweis eben-
so unverändert abgedruckt (Nietzsche 1892, [IV] u. Nietzsche 1894, [II]) wie in
der Großoktav-Ausgabe (GoA 7 [1921], [280]). Bei den Übersetzungen räumen
ihm Douglas Smith (Nietzsche 1996, iii) und Patrick Wotling (Nietzsche 2000,
5) den gebührenden Platz ein.
Vorrede.
Am 14. 09. 1887 ließ N. Meta von Salis wissen, dass der Druck von GM bald
abgeschlossen sein würde. „Damit ist nunmehr alles Wesentliche angedeutet,
was zur vorläufigen Orientierung über mich dienen kann: von der Vorrede zur
Geburt der Tragödie bis zur Vorrede des letzt genannten Buchs — das giebt
eine Art ,Entwicklungsgeschichte'." (KSB 8/KGB III 5, Nr. 908, S. 151, Z. 31-35)
 
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