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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 5,2): Kommentar zu Nietzsches "Zur Genealogie der Moral" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2019

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https://doi.org/10.11588/diglit.70912#0425
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406 Zur Genealogie der Moral

„Es entstehen Prozesse, wo der Reiz nothwendig wird, zum Lebensreiz
wird: sonst tritt Schwinden und Verfall ein." (NL 1883, KSA 10, 7[98], 22-24,
nach Roux 1881, 81). In JGB 200 kehrt er dann emphatisch wieder, vgl.
NK 5/1, S. 540.
341, 11-19 Andrerseits versteht es sich nur zu gut, dass wenn einmal die verun-
glückten Schweine dazu gebracht werden, die Keuschheit anzubeten — und es
giebt solche Schweine! — sie in ihr nur ihren Gegensatz, den Gegensatz zum ver-
unglückten Schweine sehn und anbeten werden — oh mit was für einem tragi-
schen Gegrunz und Eifer! man kann es sich denken — jenen peinlichen und über-
flüssigen Gegensatz, den Richard Wagner unbestreitbar am Ende seines Lebens
noch hat in Musik setzen und auf die Bühne stellen wollen.] In der Adaption von
NW Wagner als Apostel der Keuschheit 2, KSA 6, 429, 29 fehlt die zoologische
Bezeichnung der fraglichen Tiere, um sie stattdessen mythologisch zu um-
schreiben: „die verunglückten Thiere der Circe". Bekanntlich soll die Zauberin
Kirke, bei der Odysseus strandete, dessen Gefährten in Schweine verwandelt
haben (Homer: Odyssee X 237-240, vgl. NK KSA 6, 305, 21 f.). Hedonisten und
Utilitaristen wie Jeremy Bentham wurde gerne der Vorwurf gemacht, sie miss-
verstünden Menschen als Schweine und empfählen ihnen daher ein Schweine-
glück. Dagegen hat sich etwa John Stuart Mill verwahrt (Mill 1869-1886, 1,
134 f.), während Thomas Carlyle in satirischer Absicht eine „pig philosophy"
entworfen hatte, was N. aus der Lektüre von Froude 1887, 2, 210-213 vor Augen
gestanden haben könnte, siehe die Quellenauszüge in NK KSA 6, 429, 28-430, 5.
3.
Dieser Abschnitt benennt nun eindeutig das in GM III 2 als Beleg für Wagners
asketische Wende schon präsente, aber nicht namentlich genannte, letzte Mu-
sikdrama Wagners, den 1882 in Bayreuth uraufgeführten Parsifal. Das Werk
handelt vom reinen Toren Parsifal, der schließlich aus Mitleid zum Gralskönig
wird. Aus der Zeit seiner freundschaftlichen Verbundenheit mit Wagner kannte
N. Wagners Parzival-Projekt indessen schon seit seinen ersten Basler Jahren
(vgl. NK KSA 6, 327, 16-25). Am 01. 01. 1878 hat Wagner N. den gedruckten
Text mit der Widmung: „Herzlichsten Gruss und Wunsch / seinem / Theuren
Freunde / Friedrich Nietzsche / Richard Wagner / (Oberkirchenrath: / zur
freundlichen Mittheilung / an Professor Overbeck.)" (KGB II 6/2, Nr. 1025,
S. 788 u. NPB 642) zukommen lassen (vgl. NK KSA 6, 327, 19 f.). N. kommentier-
te diese Widmung mehrfach, etwa in seinem Brief an Lou von Salome vom
16. 07. 1882 (KSB 6/KGB III 1, Nr. 269, S. 229, vgl. NK KSA 6, 327, 16-25), und
fühlte sich durch Wagners Hinwendung zum Christentum „auf eine tödtli-
 
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