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Stellenkommentar GM III 2, KSA 5, S. 340-341 405

auf (KGW IX 6, W II 1, 33, 10; KGW IX 6, W II 1, 39, 1; KGW IX 9, W II 6, 100,
43 f.); hier wird es mit sexueller Freizügigkeit konnotiert, die Luther gerade von
seinen Gegnern nach dem Aufgeben der zölibatären Lebenweise vorgeworfen
wurde. Der Sache nach geht das Stichwort der „evangelischen Freiheit" auf
Luthers berühmte Streitschrift von 1520 Von der Freyheyt eyniß Christen men-
schen zurück; sie spielt in der Auseinandersetzung für und wider die Sache der
Reformation eine große Rolle (vgl. die Belege von Maudemarie Clark und Alan
J. Swensen in Nietzsche 1998, 150). Den Band An meine Kritiker. Nebst Ergän-
zungen und Erläuterungen zu den drei ersten Bänden meiner Geschichte des
deutschen Volkes von Johannes Janssen hat N. ausweislich seiner zahlreichen
Lesespuren intensiv studiert. Dort heißt es - mit dezidiert antiprotestantischer
Stoßrichtung: „Luther's Schlagwort von der ,evangelischen Freiheit' war in Al-
ler Mund, und Ritter, Bürger und Bauern legten dasselbe je nach ihrer Weise
und ihren Wünschen aus. Unzählige, sagt Melanchthon, hingen Luther an,
nicht aus Vorliebe für seine dogmatischen Ansichten, sondern lediglich deßwe-
gen, weil sie ihn als einen Wiederhersteller ,der Freiheit' betrachteten, unter
welcher Freiheit Jeder die Wegräumung dessen verstand, was ihm im Wege
war, und /120/ Erfüllung seiner Hoffnungen. ,Die evangelische Freiheit', ,das
Evangelium' war die Fahne, unter der zuerst die Reichsritter unter Sickingen,
dann die Bürger und Bauern in der socialen Revolution in's Feld gezogen wa-
ren." (Janssen 1882, 119 f.).
341, 6 f. labiles Gleichgewicht zwischen „Thier und Engel"] In NW Wagner als
Apostel der Keuschheit 2, KSA 6, 429, 23 f. steht stattdessen: „labiles Gleichge-
wicht zwischen Engel und petite bete" und spielt damit vielleicht auf Bourget
1889a, 1, 327 an. Den Menschen als „Mittelding[.] zwischen Thier und Engel"
([Weber] 1868, 1, 38) zu beschreiben, ist im 18. und 19. Jahrhundert geläufig;
N. konnte die Formel auch in David Friedrich Strauß' Der alte und der neue
Glaube finden (Strauß 1872, 165. Ausführliche Nachweise in NK KSA 6, 429,
23 f.).
341, 8-10 die Feinsten und Hellsten, gleich Goethen, gleich Hafis, haben darin
sogar einen Lebensreiz mehr gesehn] Der mittelalterliche persische Dichter Ha-
fis (eigentlich Chadsche Schams al-Din Mohammad Hafese Schirazi, ca. 1319-
1389) gewann durch seinen von Joseph von Hammer-Purgstall 1812/13 übertra-
genen Diwan sowie durch Goethes freie Adaption im West-östlichen Divan
(1819, erweitert 1827) ein breites Publikum und wurde zum Ausgangspunkt von
allerlei sinnlichen Orientphantasien. NW Wagner als Apostel der Keuschheit 2,
KSA 6, 429, 26 spricht von „Reiz" statt „Lebensreiz". Den Begriff des Lebensrei-
zes hat N. zwar schon früh verwendet, ihn aber erst in einem Exzerpt zu Wil-
helm Roux' Der Kampf der Theile im Organismus terminologisch stark gemacht
 
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