404 Zur Genealogie der Moral
Stelle dieser Hochzeits-Musik die Meistersinger besitzen? Und wie viel in diesen
vielleicht noch von jener fortklingt? Aber keinem Zweifel unterliegt es, dass es
sich auch bei dieser „Hochzeit Luther's" um ein Lob der Keuschheit gehandelt
haben würde. Allerdings auch um ein Lob der Sinnlichkeit: — und gerade so
schiene es mir in Ordnung, gerade so wäre es auch „Wagnerisch" gewesen.] Dass
„wir heute an Stelle" der von Wagner nie verwirklichten Werkidee zu Luthers
Hochzeit mit Katharina von Bora die Oper Die Meistersinger von Nürnberg vor
uns hätten, ist historisch nicht ganz adäquat: Deren triumphale Uraufführung
fand bereits am 21. Juni 1868 statt, während Wagner erst am 19. und 22. August
1868 - unter dem Eindruck der Scheidungsaffäre von Cosima von Bülow, die
er selbst heiraten wollte - die ersten Aufzeichnungen zum Luther-Werk anfer-
tigte: „Hochzeit: Lukas Kranach, (Melancht). - Gäste. - Musik: ,Wer nicht liebt
Wein, Weib und Gesang'. - // Gemüthliche Tendenz nach den Zielen der deut-
schen ,Widergeburt' [sic] durch Philosophie, Dichtkunst u. Musik - in der Ent-
wicklung des Protestantismus vorgebildet u. populär durch Luther's Verheira-
tung ausgedrückt. - 22 Aug [1868]" (Wagner 1988, 184). Diese Aufzeichnungen
fehlen freilich in Wagners Gesammelten Schriften und Dichtungen (Wagner
1871-1873) ebenso wie in den unter N.s Büchern gleichfalls vorhandenen Ent-
würfen. Gedanken. Fragmenten. Aus nachgelassenen Papieren zusammengestellt
(Wagner 1885). Das N. ebenso zur Verfügung stehende Wagner-Lexikon von Carl
Friedrich Glasenapp und Heinrich von Stein hat zwar ein Lemma zum „Refor-
matorischen Wirken Luther's" mit einschlägigen Wagner-Auszügen (Glasen-
app/Stein 1883, 649 f.), aber nichts zu den Werkplänen des Hochzeitsdramas
von 1868. Es erscheint daher wahrscheinlich, dass N. persönlich von Wagner
über die Idee, ein solches Werk zu verfassen, unterrichtet worden ist; er hatte
Wagner am 08. 11. 1868 in Leipzig kennengelernt, also nur wenige Monate
nach der ersten Ideen-Niederschrift. Vgl. allgemein auch Ward 2015, 112; Guery
1994, 136 f. u. Kofman 1994, 198.
340, 32-341, 1 Luther's Verdienst ist vielleicht in Nichts grösser als gerade da-
rin, den Muth zu seiner Sinnlichkeit gehabt zu haben] Von einem solchen Lob
Luthers, der eben dem asketischen Mönchsdasein entfloh und eine entlaufene
Nonne heiratete, findet sich in AC 61 dann keine Spur mehr, vgl. NK KSA 6,
251, 16-26. Rupschus 2016, 75 weist darauf hin, dass der Sinnlichkeitsmut Lu-
thers in FW 358, KSA 3, 603 f. gerade „als wesentlicher Auslöser des fatalen
Niedergangs der vornehmen Institution Kirche gedeutet wird". Ausführlich
zum Thema Sommer 2017d.
341, If. (- man hiess sie damals, zart genug, die „evangelische Freiheit"...)] N.
nimmt dieses Stichwort in Nachlassnotaten aus der Entstehungszeit von GM
Stelle dieser Hochzeits-Musik die Meistersinger besitzen? Und wie viel in diesen
vielleicht noch von jener fortklingt? Aber keinem Zweifel unterliegt es, dass es
sich auch bei dieser „Hochzeit Luther's" um ein Lob der Keuschheit gehandelt
haben würde. Allerdings auch um ein Lob der Sinnlichkeit: — und gerade so
schiene es mir in Ordnung, gerade so wäre es auch „Wagnerisch" gewesen.] Dass
„wir heute an Stelle" der von Wagner nie verwirklichten Werkidee zu Luthers
Hochzeit mit Katharina von Bora die Oper Die Meistersinger von Nürnberg vor
uns hätten, ist historisch nicht ganz adäquat: Deren triumphale Uraufführung
fand bereits am 21. Juni 1868 statt, während Wagner erst am 19. und 22. August
1868 - unter dem Eindruck der Scheidungsaffäre von Cosima von Bülow, die
er selbst heiraten wollte - die ersten Aufzeichnungen zum Luther-Werk anfer-
tigte: „Hochzeit: Lukas Kranach, (Melancht). - Gäste. - Musik: ,Wer nicht liebt
Wein, Weib und Gesang'. - // Gemüthliche Tendenz nach den Zielen der deut-
schen ,Widergeburt' [sic] durch Philosophie, Dichtkunst u. Musik - in der Ent-
wicklung des Protestantismus vorgebildet u. populär durch Luther's Verheira-
tung ausgedrückt. - 22 Aug [1868]" (Wagner 1988, 184). Diese Aufzeichnungen
fehlen freilich in Wagners Gesammelten Schriften und Dichtungen (Wagner
1871-1873) ebenso wie in den unter N.s Büchern gleichfalls vorhandenen Ent-
würfen. Gedanken. Fragmenten. Aus nachgelassenen Papieren zusammengestellt
(Wagner 1885). Das N. ebenso zur Verfügung stehende Wagner-Lexikon von Carl
Friedrich Glasenapp und Heinrich von Stein hat zwar ein Lemma zum „Refor-
matorischen Wirken Luther's" mit einschlägigen Wagner-Auszügen (Glasen-
app/Stein 1883, 649 f.), aber nichts zu den Werkplänen des Hochzeitsdramas
von 1868. Es erscheint daher wahrscheinlich, dass N. persönlich von Wagner
über die Idee, ein solches Werk zu verfassen, unterrichtet worden ist; er hatte
Wagner am 08. 11. 1868 in Leipzig kennengelernt, also nur wenige Monate
nach der ersten Ideen-Niederschrift. Vgl. allgemein auch Ward 2015, 112; Guery
1994, 136 f. u. Kofman 1994, 198.
340, 32-341, 1 Luther's Verdienst ist vielleicht in Nichts grösser als gerade da-
rin, den Muth zu seiner Sinnlichkeit gehabt zu haben] Von einem solchen Lob
Luthers, der eben dem asketischen Mönchsdasein entfloh und eine entlaufene
Nonne heiratete, findet sich in AC 61 dann keine Spur mehr, vgl. NK KSA 6,
251, 16-26. Rupschus 2016, 75 weist darauf hin, dass der Sinnlichkeitsmut Lu-
thers in FW 358, KSA 3, 603 f. gerade „als wesentlicher Auslöser des fatalen
Niedergangs der vornehmen Institution Kirche gedeutet wird". Ausführlich
zum Thema Sommer 2017d.
341, If. (- man hiess sie damals, zart genug, die „evangelische Freiheit"...)] N.
nimmt dieses Stichwort in Nachlassnotaten aus der Entstehungszeit von GM