150 Der Fall Wagner
36, 5 f. er war zeitlebens der Commentator der „Idee"] Für die Wagner unter-
stellte Vorliebe für die „Idee", die N. in 36, 10-25 mit dem Erbe des Deutschen
Idealismus in Verbindung bringt, gibt es in seinen Schriften einige Belege, z. B.
im Beethoven-Buch: „Die Musik, welche nicht die in den Erscheinungen der
Welt enthaltenen Ideen darstellt, dagegen selbst eine, und zwar eine umfas-
sende Idee der Welt ist, schließt das Drama ganz von selbst in sich, da das
Drama wiederum selbst die einzige der Musik adäquate Idee der Welt aus-
drückt. [...] Wie das Drama die menschlichen Charaktere nicht schildert, son-
dern diese unmittelbar sich selbst darstellen läßt, so giebt uns eine Musik in
ihren Motiven den Charakter aller Erscheinungen der Welt nach ihrem inners-
ten An-sich. Die Bewegung, Gestaltung und Veränderung dieser Motive sind
analogisch nicht nur einzig dem Drama verwandt, sondern das die Idee dar-
stellende Drama kann in Wahrheit einzig nur durch jene so sich bewegenden,
gestaltenden und sich verändernden Motive der Musik vollkommen klar ver-
standen werden." (Wagner 1871-1873, 9, 128 = Wagner 1907, 9, 105-106) Dass
Wagner der Musik eine solche Macht zuweist, geht wiederum auf Schopen-
hauer zurück, siehe NK 36, 15-19.
36, 6-9 Was bedeutet Elsa? Aber kein Zweifel: Elsa ist „der unbewusste Geist
des Volks" (— „mit dieser Erkenntniss wurde ich nothwendig zum vollkomm-
nen Revolutionär" —).] In Wagners Mittheilung an meine Freunde heißt es:
„Elsa ist das Unbewußte, Unwillkürliche, in welchem das bewußte, willkürli-
che Wesen Lohengrin's sich zu erlösen sehnt; dieses Verlangen ist aber
selbst wiederum das unbewußte Nothwendige, Unwillkürliche im Lohengrin,
durch das er dem Wesen Elsa's sich verwandt fühlt. [...] Elsa, das Weib, — das
bisher von mir unverstandene und nun verstandene Weib, — diese nothwen-
digste Wesenäußerung der reinsten sinnlichen Unwillkür, — hat mich zum voll-
ständigen Revolutionär gemacht. Sie war der Geist des Volkes, nach dem ich
auch als künstlerischer Mensch zu meiner Erlösung verlangte." (Wagner 1871-
1873, 4, 368 f. = Wagner 1907, 4, 301 f.).
36, 10-14 Erinnern wir uns, dass Wagner in der Zeit, wo Hegel und Schelling
die Geister verführten, jung war; dass er errieth, dass er mit Händen griff, was
allein der Deutsche ernst nimmt — „die Idee", will sagen Etwas, das dunkel,
ungewiss, ahnungsvoll ist] In seiner von N. teilweise redaktionell betreuten Auto-
biographie Mein Leben berichtet Wagner von seiner Hinwendung zu Schopen-
hauer, nachdem er schon früher Versuche unternommen habe, sich „die eigent-
liche Bedeutung der Philosophie [...] verständlich zu machen", namentlich „aus
einem Schellingschen, später aus einem Hegelschen Buche Befriedigung zu ver-
schaffen getrachtet hatte", ihn „diese Versuche" jedoch „abschreckten" (Wag-
ner 1977, 522). Wenn N. Wagner in WA 10 zum Nachfolger, ja zum „Erbe[n]
36, 5 f. er war zeitlebens der Commentator der „Idee"] Für die Wagner unter-
stellte Vorliebe für die „Idee", die N. in 36, 10-25 mit dem Erbe des Deutschen
Idealismus in Verbindung bringt, gibt es in seinen Schriften einige Belege, z. B.
im Beethoven-Buch: „Die Musik, welche nicht die in den Erscheinungen der
Welt enthaltenen Ideen darstellt, dagegen selbst eine, und zwar eine umfas-
sende Idee der Welt ist, schließt das Drama ganz von selbst in sich, da das
Drama wiederum selbst die einzige der Musik adäquate Idee der Welt aus-
drückt. [...] Wie das Drama die menschlichen Charaktere nicht schildert, son-
dern diese unmittelbar sich selbst darstellen läßt, so giebt uns eine Musik in
ihren Motiven den Charakter aller Erscheinungen der Welt nach ihrem inners-
ten An-sich. Die Bewegung, Gestaltung und Veränderung dieser Motive sind
analogisch nicht nur einzig dem Drama verwandt, sondern das die Idee dar-
stellende Drama kann in Wahrheit einzig nur durch jene so sich bewegenden,
gestaltenden und sich verändernden Motive der Musik vollkommen klar ver-
standen werden." (Wagner 1871-1873, 9, 128 = Wagner 1907, 9, 105-106) Dass
Wagner der Musik eine solche Macht zuweist, geht wiederum auf Schopen-
hauer zurück, siehe NK 36, 15-19.
36, 6-9 Was bedeutet Elsa? Aber kein Zweifel: Elsa ist „der unbewusste Geist
des Volks" (— „mit dieser Erkenntniss wurde ich nothwendig zum vollkomm-
nen Revolutionär" —).] In Wagners Mittheilung an meine Freunde heißt es:
„Elsa ist das Unbewußte, Unwillkürliche, in welchem das bewußte, willkürli-
che Wesen Lohengrin's sich zu erlösen sehnt; dieses Verlangen ist aber
selbst wiederum das unbewußte Nothwendige, Unwillkürliche im Lohengrin,
durch das er dem Wesen Elsa's sich verwandt fühlt. [...] Elsa, das Weib, — das
bisher von mir unverstandene und nun verstandene Weib, — diese nothwen-
digste Wesenäußerung der reinsten sinnlichen Unwillkür, — hat mich zum voll-
ständigen Revolutionär gemacht. Sie war der Geist des Volkes, nach dem ich
auch als künstlerischer Mensch zu meiner Erlösung verlangte." (Wagner 1871-
1873, 4, 368 f. = Wagner 1907, 4, 301 f.).
36, 10-14 Erinnern wir uns, dass Wagner in der Zeit, wo Hegel und Schelling
die Geister verführten, jung war; dass er errieth, dass er mit Händen griff, was
allein der Deutsche ernst nimmt — „die Idee", will sagen Etwas, das dunkel,
ungewiss, ahnungsvoll ist] In seiner von N. teilweise redaktionell betreuten Auto-
biographie Mein Leben berichtet Wagner von seiner Hinwendung zu Schopen-
hauer, nachdem er schon früher Versuche unternommen habe, sich „die eigent-
liche Bedeutung der Philosophie [...] verständlich zu machen", namentlich „aus
einem Schellingschen, später aus einem Hegelschen Buche Befriedigung zu ver-
schaffen getrachtet hatte", ihn „diese Versuche" jedoch „abschreckten" (Wag-
ner 1977, 522). Wenn N. Wagner in WA 10 zum Nachfolger, ja zum „Erbe[n]