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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 6,1): Kommentar zu Nietzsches "Der Fall Wagner", "Götzen-Dämmerung" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.70913#0171
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152 Der Fall Wagner

liche Geist hat wahrscheinlich noch niemals eine solche Virtuosität in der Ver-
wirrung errreicht, niemals hat der extreme Idealismus solche Saturnalien gefei-
ert. Aber ganz sicher war es nicht diese Seite Hegels, die die Menge von Hörern
um seinen Lehrstuhl an der Universität von Berlin scharte und die sie aufmerk-
sam machte für die Worte des Meisters, die, wie man weiß, wenig eloquent
waren. Unter allen diesen Transformationen, oder genauer gesagt, als Endre-
sultat dieser willkürlichen Identifikationen, sollte sich die Aufhebung des Uner-
kennbaren finden lassen, dessen Identifikation mit dem Erkennbaren. Diese
Hoffnung wurde enttäuscht, die Philosophie der absoluten Identität von Endli-
chem und Unendlichem drohte im Gegenteil, das Erkennbare ins Unerkenn-
bare zu verwandeln; aber die Hoffnung war sehr real, — dies ist einer der
Hauptgründe für den vorübergehenden Erfolg des Hegelschen Unterneh-
mens.") Ebenso vernichtend fällt Robertys von N. eifrig markiertes Urteil über
Schopenhauers Idealismus aus (ebd., 48-52).
36, 15-19 Schopenhauer hat, mit Härte, die Epoche Hegel's und Schelling's
der Unredlichkeit geziehn — mit Härte, auch mit Unrecht: er selbst, der alte
pessimistische Falschmünzer, hat es in Nichts „redlicher" getrieben als seine
berühmteren Zeitgenossen.] Die entsprechenden Invektiven Schopenhauers
sind bekannt, vgl. z. B. die Vorrede zur zweiten Auflage der Welt als Wille
und Vorstellung, in der er für sich exklusiv Redlichkeit in Anspruch nimmt
(Schopenhauer 1873-1874, 2, XX), oder noch unverhohlener ad personam die
Preisschrift über die Grundlage der Moral: „Wie im Leben des Einzelnen ein
Fehltritt der Jugend oft den ganzen Lebenslauf verdirbt, so hatte jene einzige
von Kant gemachte falsche Annahme einer mit völlig transscendenten Krediti-
ven ausgestatteten und, wie die höchsten Appellationshöfe, ,ohne Gründe' ent-
scheidenden, praktischen Vernunft zur Folge, daß aus der strengen, nüchter-
nen kritischen Philosophie die ihr heterogensten Lehren entsprangen, die
Lehren von einer das ,Uebersinnliche' erst bloß leise ,ahndenden,' dann schon
deutlich ,vernehmenden', endlich gar leibhaftig jntellektual anschauenden'
Vernunft, für deren ,absolute', d. h. ex tripode gegebene, Aussprüche und
Offenbarungen jetzt jeder Phantast seine Träumereien ausgeben konnte. Dies
neue Privilegium ist redlich benutzt worden. Hier also liegt der Ursprung jener
unmittelbar nach Kants Lehre auftretenden philosophischen Methode, die im
Mystificiren, Imponiren, Täuschen, Sand in die Augen streuen und Windbeu-
teln besteht, deren Zeitraum die Geschichte der Philosophie einst unter dem
Titel ,Periode der Unredlichkeit' anführen wird. Denn der Charakter der
Redlichkeit, des gemeinschaftlichen Forschens mit dem Leser, welchen die
Schriften aller früheren Philosophen tragen, ist hier verschwunden: nicht
belehren, sondern bethören will der Philosophaster dieser Zeit seinen Leser:
davon zeugt jede Seite. Als Heroen dieser Periode glänzen Fichte und
 
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