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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 6,1): Kommentar zu Nietzsches "Der Fall Wagner", "Götzen-Dämmerung" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.70913#0198
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Stellenkommentar WA Zweite Nachschrift, KSA 6, S. 46 179

nimmt N. in 46, 8 Bezug. Sie lautet: ,„Es ist die Wissenschaft der Tod der
Poesie. Die selbst einst war die Lebenslust der Erden. Tod sucht ein höhres
Sein; so sucht Philosophie Zuletzt nur höhre Poesie zu werden'. / Hat er
recht — der Rückert? Hat er unrecht? Hat es ein gewisser Schiller vielleicht
schon fertig gebracht, Philosophie in Poesie zu wandeln? Manche Leute
behaupten es. Wie aber? wenn es Leute gäbe, die — als ehemalige Philologen
eine andere ,Lesart' erhärten: ,Es sucht Philosophie zuletzt nur höherer
Blödsinn noch zu werden?' Wer wagt zu lächeln? Wehe ihm, in der Rangord-
nung der Lachenden wird Friedrich Nietzsche ihn auf die Armsünderbank
setzen. Nur das goldene Gelächter sitzt obenan. Es ruft Roseggers Geist in Sils-
Maria? oder gar der Geist Edmund v. Hagens? Du erfreust Dich an kurzen Sprü-
chen, lieber Leser? Ich auch. So wollen wir einen Spruch von Friedrich Nietz-
sche hören: ,Ein Mensch mit Genie ist unausstehlich, wenn er nicht min-
destens noch zweierlei dazu besitzt: Dankbarkeit und Reinlichkeit'. Du bist
hoffentlich nicht boshaft und beziehst diesen Spruch auf seinen Urheber —
ihn, der ein so dankbarer — Zwerg ist gegen die ,bärbeißigen' Geistesriesen
vor ihm, der so überaus reinlich ist in dem logischen — Mischmasch seiner
Fantastereien. ,Jenseits von Gut und Böse' — ist ein Wunderland. ,Dahin,
dahin, möcht ich mit dir geliebter Leser ziehn'. Doch was sehe ich? Was steht
auf diesem Wegweiser? Spr. 14, 7" (zitiert nach KGB III 7/3, 1, S. 863). Sprüche
14, 7 lautet in der von N. benutzten Bibel: „Gehe von dem Narren, denn du
lernest nichts von ihm." (Die Bibel: Altes Testament 1818, 638).
Übrigens sollte derselbe „E. H." dann in der Morgenausgabe des 03. 03.
1889 (Nr. 105, 1. Beilage) auch die Götzen-Dämmerung für die Kreuzzeitung
besprechen und meinen, darin werde die „Geistreichigkeit" des „götzendäm-
merigen, hammerphilosophelenden Federtänzer[s]" bald zur „Geistlosigkeit"
(zitiert nach Kr I, 168).
46, 9 f. litterarischen Centralblatt] In dem seit 1850 erscheinenden, vom Leip-
ziger Germanisten Friedrich Zarncke herausgegebenen Litterarischen Central-
blatt für Deutschland, einem wichtigen Rezensionsorgan, hatte N. selbst zwi-
schen 1868 und 1870 ein paar Buchbesprechungen veröffentlicht; auch seine
eigenen Bücher wurden dort fast durchgehend angezeigt; es ist das einzige
Periodikum, in dem dies geschah. Zunächst erschien dort am 15. 02. 1873 eine
anonyme (vielleicht von Robert Zimmermann verfasste) Rezension der Geburt
der Tragödie, die zwar von der darin dargelegten, „geistreich schillernden
Theorie" spricht (Bd. 24, Nr. 7, Sp. 194 f., zitiert nach Kr I, 26), aber in der
Sache vielfältigen Dissens markiert. Die Erste Unzeitgemässe Betrachtung galt
dem Centralblatt (Bd. 25, Nr. 19, 09. 05. 1874, Sp. 618-622) als „gespreiztes
Geckentum" (Kr I, 41); und auch der Dritten Unzeitgemässen Betrachtung erging
es kaum besser (Bd. 27, Nr. 25, 17. 06. 1876, vgl. Kr I, 57). Die Vierte unzeitgemä-
 
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