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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 6,1): Kommentar zu Nietzsches "Der Fall Wagner", "Götzen-Dämmerung" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.70913#0259
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240 Götzen-Dämmerung

28): ante mortem ne laudes hominem quemquam wird treulich befolgt. Da
muß denn wer unsterbliche Werke geschaffen hat, zu seinem Trost, den indi-
schen Mythos auf sie anwenden, daß die Minuten des Lebens der Unsterbli-
chen, auf Erden, als Jahre erscheinen und ebenso die Erdenjahre nur Minuten
der Unsterblichen sind." (Schopenhauer 1873-1874, 6, 491).
16
61, 14-16 Unter Frauen. — „Die Wahrheit? Oh Sie kennen die Wahrheit
nicht! Ist sie nicht ein Attentat auf alle unsre pudeurs?"] Vgl. Goncourt 1888, 3,
29 (25. Februar 1866): „Ce soir, une jeune fille me disait qu'elle avait commence
ä ecrire un journal, et qu'elle s'etait arretee, par peur de l'entrainement de
cette causerie confidentielle avec elle-meme. La femme a comme une pudeur
de se voir toute et de regarder au fond d'elle." („Ein junges Mädchen sagte mir
heute abend, dass sie angefangen habe, Tagebuch zu schreiben. Sie habe
damit jedoch wieder aufgehört aus Angst vor der Gewöhnung an dieses ver-
trauliche Gespräch mit sich selbst. Die Frau hat eine Art Scham sich ganz zu
sehen und in das eigene Innere zu blicken.") Eine ähnliche Überlegung findet
sich auch in NL 1888, KSA 13, 17[5], 527, 4-6: „Es giebt Realitäten, die man
nie sich eingestehen darf; dafür ist man Weib, dafür hat man alle weiblichen
pudeurs..."
17
61, 18-20 Das ist ein Künstler, wie ich Künstler liebe, bescheiden in seinen
Bedürfnissen: er will eigentlich nur Zweierlei, sein Brod und seine Kunst, —
panem et Circen...] Vgl. NL 1888, KSA 13, 15[118], 479, 18-20: „Künstler, wie
sie zu sein pflegen, wenn sie ächt sind, bescheiden in ihren Bedürfnissen: sie
wollen eigentlich nur Zweierlei ihr Brod und ihre Kunst — panem et Circen..."
Die Verballhornung der berühmten Wendung „panem et circenses", „Brot und
Spiele" aus Juvenal: Satiren X 81 — die dort im Rahmen einer scharfen Kritik
am Verfall der römischen Sitten steht und also Bestandteil einer frühen Form
von decadence-Analyse ist — ersetzt die Spiele durch die mythologische Zaube-
rin Kirke, die im 10. Gesang der Odyssee Odysseus' Gefährten in Schweine
verwandelt (vgl. NW Wagner als Apostel der Keuschheit 2, KSA 6, 429, 29-430,
1) und diesen selbst auf ihrer Insel mit ihren Verführungskünsten gefangen
hält. Als Personifikation zauberischer Verführung taucht Kirke in N.s späten
 
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