Stellenkommentar GD Sprüche, KSA 6, S. 61 239
wertlose Einheiten auf der Suche nach einer Null, die ihnen die Kraft eines
Zehnfachen gibt!'") Vgl. auch KGW IX 7, W II 3, 85, 8 (KSA 14, 412).
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61, 10-12 Posthume Menschen — ich zum Beispiel — werden schlechter ver-
standen als zeitgemässe, aber besser gehört. Strenger: wir werden nie verstan-
den — und daher unsre Autorität...] Vgl. NL 1888, KSA 13, 12[1]55, 197, 30 f.
(KGW IX 7, W II 4, 118, 20); 15[118], 479, 21-23 sowie NL 1887, KSA 12, 9[76],
375, 11 f. (KGW IX 6, W II 1, 87, 10-26). An der letzten Stelle, die 61, 10-12 fast
wörtlich vorwegnimmt, ist in Klammern noch angefügt: „comprendre — c'est
egaler" („Verstehen heißt gleichmachen"; KGW IX 7, W II 3, 184, 22, vgl. KSA
14, 412. Die Wendung „comprendre — c'est egaler" hat N. im Essai von Bourget
über die Brüder Goncourt unterstrichen: Bourget 1886, 148). Überdies ist eine
Liste dieser „Posthumen" beigegeben: Schopenhauer, Stendhal, Napoleon und
Machiavelli, mit Fragezeichen Epikur, Goethe, Shakespeare und Beethoven.
Zu Stendhal schreibt auch Berard-Varagnac 1887, VI (Lesespur N.s): „Son
influence, comme sa renomme, a ete posthume" („Sein Einfluss sowie seine
Bekanntheit waren posthum", vgl. Berard-Varagnac 1887, 52). Erstmals kom-
men die dort freilich namenlosen „posthumen Menschen" in FW 365, KSA 3,
613, 28 und 614, 3 vor, die die Einsamkeit ihres irdischen Lebens nur aushal-
ten, weil sie wissen, dass sie „nach dem Tode erst" zu ihrem „Leben kommen
und lebendig werden, ah! sehr lebendig!" (KSA 3, 614, 1-3) In AC Vorwort ist
das sprechende Ich nicht mehr nur wie in 61, 10 ein „Beispiel" für einen
Menschen, dessen Zeit erst nach seiner irdischen Existenz kommt, sondern
sein Inbegriff: „Erst das Übermorgen gehört mir. Einige werden posthu(m)
geboren." (KSA 6, 167, 5 f.) Zugleich wird damit für die Zukunft ein erheblicher
Macht- und Geltungsanspruch angemeldet. EH Warum ich so gute Bücher
schreibe 1 betont stärker die in 61, 10-12 virulente „Frage nach dem Verstan-
den- oder Nicht-verstanden-werden" (KSA 6, 298, 4 f.), schließt aber das Ver-
standenwerden nicht prinzipiell aus, denn wiederum soll gelten: „Ich selber
bin noch nicht an der Zeit, Einige werden posthum geboren." (298, 7 f.).
Dem Gedanken, dass den wahren Genies (im Unterschied beispielsweise
zu den „Professoren") erst postum der ihnen gebührende Ruhm zukommen
werde, ist N. früh schon im zweiten Band von Schopenhauers Parerga und
Paralipomena (Bd. 2, Kapitel 20, § 249) begegnet: „Allerdings wird, mit der
Zeit, jedem volle Gerechtigkeit (tempo e galant-uomo), allein so spät und lang-
sam, wie weiland vom Reichskammergericht, und die stillschweigende Bedin-
gung ist, daß er nicht mehr lebe. Denn die Vorschrift des Jesus Sirach (Cap. 11,
wertlose Einheiten auf der Suche nach einer Null, die ihnen die Kraft eines
Zehnfachen gibt!'") Vgl. auch KGW IX 7, W II 3, 85, 8 (KSA 14, 412).
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61, 10-12 Posthume Menschen — ich zum Beispiel — werden schlechter ver-
standen als zeitgemässe, aber besser gehört. Strenger: wir werden nie verstan-
den — und daher unsre Autorität...] Vgl. NL 1888, KSA 13, 12[1]55, 197, 30 f.
(KGW IX 7, W II 4, 118, 20); 15[118], 479, 21-23 sowie NL 1887, KSA 12, 9[76],
375, 11 f. (KGW IX 6, W II 1, 87, 10-26). An der letzten Stelle, die 61, 10-12 fast
wörtlich vorwegnimmt, ist in Klammern noch angefügt: „comprendre — c'est
egaler" („Verstehen heißt gleichmachen"; KGW IX 7, W II 3, 184, 22, vgl. KSA
14, 412. Die Wendung „comprendre — c'est egaler" hat N. im Essai von Bourget
über die Brüder Goncourt unterstrichen: Bourget 1886, 148). Überdies ist eine
Liste dieser „Posthumen" beigegeben: Schopenhauer, Stendhal, Napoleon und
Machiavelli, mit Fragezeichen Epikur, Goethe, Shakespeare und Beethoven.
Zu Stendhal schreibt auch Berard-Varagnac 1887, VI (Lesespur N.s): „Son
influence, comme sa renomme, a ete posthume" („Sein Einfluss sowie seine
Bekanntheit waren posthum", vgl. Berard-Varagnac 1887, 52). Erstmals kom-
men die dort freilich namenlosen „posthumen Menschen" in FW 365, KSA 3,
613, 28 und 614, 3 vor, die die Einsamkeit ihres irdischen Lebens nur aushal-
ten, weil sie wissen, dass sie „nach dem Tode erst" zu ihrem „Leben kommen
und lebendig werden, ah! sehr lebendig!" (KSA 3, 614, 1-3) In AC Vorwort ist
das sprechende Ich nicht mehr nur wie in 61, 10 ein „Beispiel" für einen
Menschen, dessen Zeit erst nach seiner irdischen Existenz kommt, sondern
sein Inbegriff: „Erst das Übermorgen gehört mir. Einige werden posthu(m)
geboren." (KSA 6, 167, 5 f.) Zugleich wird damit für die Zukunft ein erheblicher
Macht- und Geltungsanspruch angemeldet. EH Warum ich so gute Bücher
schreibe 1 betont stärker die in 61, 10-12 virulente „Frage nach dem Verstan-
den- oder Nicht-verstanden-werden" (KSA 6, 298, 4 f.), schließt aber das Ver-
standenwerden nicht prinzipiell aus, denn wiederum soll gelten: „Ich selber
bin noch nicht an der Zeit, Einige werden posthum geboren." (298, 7 f.).
Dem Gedanken, dass den wahren Genies (im Unterschied beispielsweise
zu den „Professoren") erst postum der ihnen gebührende Ruhm zukommen
werde, ist N. früh schon im zweiten Band von Schopenhauers Parerga und
Paralipomena (Bd. 2, Kapitel 20, § 249) begegnet: „Allerdings wird, mit der
Zeit, jedem volle Gerechtigkeit (tempo e galant-uomo), allein so spät und lang-
sam, wie weiland vom Reichskammergericht, und die stillschweigende Bedin-
gung ist, daß er nicht mehr lebe. Denn die Vorschrift des Jesus Sirach (Cap. 11,