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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 6,1): Kommentar zu Nietzsches "Der Fall Wagner", "Götzen-Dämmerung" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.70913#0098
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Stellenkommentar WA 5, KSA 6, S. 21 79

rung aber nicht, wenn man es allein schopenhauerisch-pessimistisch deutet;
schließlich endet sie in allen Varianten (vielleicht bis auf die erste) in der
Verkündung eines neuen Menschen. Ebenso wie Isolde erfährt auch Brünn-
hilde in ihrem eigenen Untergang eine Erkenntnis, in der zugleich die Welt
sich aus ihrer Entfremdung heraus wieder mit sich selbst versöhnt.
21, 5 f. sie muss das vierte Buch der „Welt als Wille und Vorstellung" in Verse
bringen.] Dieses vierte Buch des ersten Bandes von Schopenhauers Hauptwerk
Die Welt als Wille und Vorstellung ist überschrieben: „Der Welt als Wille zweite
Betrachtung: Bei erreichter Selbsterkenntniß, Bejahung und Verneinung des
Willens zum Leben" (Schopenhauer 1873-1874, 2, 317). Auf diese „Verneinung"
kommt es N. hier an.
21, 9 f. Erst der Philosoph der decadence gab dem Künstler der deca-
dence sich selbst] In AC 11, KSA 6, 178, 10 f. erscheint „die deutsche deca-
dence als Philosophie — das ist Kant!"; und überhaupt gerät 1888 die Phi-
losophie insgesamt in decadence-Verdacht: „der decadence-Philosoph [galt]
bisher wenigstens als der typische Philosoph" (NL 1888, KSA 13, 14[83], 263,
27 f., korrigiert nach KGW IX 8, W II 5, 134, 38-40, vgl. KSA 13, 14[134], 317,
30 = KGW IX 8, W II 5, 78, 1 u. KSA 13, 14[169], 355, 13 = KGW IX 8, W II 5, 36,
45). In 21, 9 f. ist natürlich Schopenhauer als Verkörperung der in der Philoso-
phie ohnehin virulenten Dekadenz-Tendenzen gemeint. Zu den „Künstler[n]
der decadence", die hier Wagner verkörpert, heißt es in NL 1887, KSA 12,
10[168], 557, 10-14 (korrigiert nach KGW IX 6, W II 2, 26, 20-24), sie stünden
„im Grunde nihilistisch zum Leben", „flüchten in die Schönheit der
Form... in die ausgewählten Dinge wo die Natur vollkommen ward, auch
wo sie indifferent groß und schön ist...". Zum Begriff siehe NK 21, 12.

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21, 12 Dem Künstler der decadence — da steht das Wort.] Die Wendung
ist in der deutschen Sprache eine Innovation N.s, aber auf Französisch damals
schon geläufig. N. ist dem „artiste de la decadence" etwa bei der Lektüre von
Theophile Gautiers Aufsatz über Charles Baudelaire begegnet, wo es heißt:
„On se rend compte qu'avec ces idees Baudelaire ait incline /57/ quelque temps
vers l'ecole realiste dont Courbet est le dieu et Manet le grand pretre. Mais, si
certains cötes de sa nature pouvaient etre satisfaits par la representation
directe et non traditionnelle de la laideur ou tout au moins de la trivialite
contemporaine, ses aspirations d'art, d'elegance, de luxe et de beaute l'entrai-
naient vers une sphere superieure, et Delacroix avec sa passion febrile, sa
 
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