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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 6,1): Kommentar zu Nietzsches "Der Fall Wagner", "Götzen-Dämmerung" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.70913#0099
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80 Der Fall Wagner

couleur orageuse, sa melancolie poetique, sa palette de soleil couchant, et sa
savante pratique d'artiste de la decadence fut et demeura son maitre d'elec-
tion." (Baudelaire 1882, 56 f.; beide Seiten von N. mit einem Eselsohr markiert.
„Man wird sich bewusst, dass sich Baudelaire /57/ mit diesen Ideen eine Zeit-
lang der Schule des Realismus zuwandte, deren Gott Courbet ist und Manet
deren Hohepriester. Aber, auch wenn einige Seiten seines Wesens durch die
direkte und nicht-traditionelle Darstellung der Hässlichkeit oder zumindest der
zeitgenössischen Trivialität befriedigt sein mochten, hoben ihn seine Ansprü-
che an die Kunst, die Eleganz, den Luxus und die Schönheit in eine höhere
Sphäre; und Delacroix mit seiner fiebrigen Leidenschaft, seiner gewitterhaften
Farbe, seiner poetischen Melancholie, seiner Palette des Sonnenuntergangs
und seiner gekonnten Praxis als Dekadenzkünstler war und blieb der Meister
seiner Wahl."). Zu Baudelaire, Delacroix und Wagner siehe NK KSA 6, 289, 11-15.
21, 13 Und damit beginnt mein Ernst.] Die bisherigen Ausführungen, insbeson-
dere die satirischen Nacherzählungen von Wagners Musikdramen, standen
also unter der Präambel des „ridendo" (13, 3), während in Abschnitt 5 das
„severum" zu seinem Recht kommen soll, bevor in Abschnitt 6 wieder „Erheite-
rung" (23, 24) angesagt ist. N. bietet seinen Lesern in WA in der raschen
Abfolge von Ernst und Heiterkeit ein Wechselbad der Stimmungen und
Gefühle. Damit unterläuft das Werk den tragisch-pathetischen Anspruch Wag-
nerscher Gesamtkunstwerke, insbesondere des Rings des Nibelungen und des
Parsifal. Es setzt gerade nicht auf die Vereinnahmung des Publikums durch
eine überwältigende Empfindung.
21, 22-24 Seine Verführungskraft steigt in's Ungeheure, es qualmt um ihn von
Weihrauch, das Missverständniss über ihn heisst sich „Evangelium"] Beken-
nende Wagnerianer zögerten tatsächlich nicht, die Verkündigung ihres Meis-
ters als ,frohe Botschaft', als „Evangelium" zu deklarieren. So schrieb Richard
Pohl in Richard Wagner nach einer Schilderung des internationalen Erfolges
des Rings des Nibelungen: „Zu dem Volke, das nicht zu den ,Nibelungen' hatte
herbeikommen wollen, waren die ,Nibelungen' nun selbst hinausgegangen,
und predigten aller Orten das Evangelium vom Wagner'schen Ideale des
Gesammtkunstwerks." (Pohl 1883a, 192) Zu Pohl vgl. NK KSA 6, 324, 8 f.
21, 25 die Armen des Geistes] Vgl. NK KSA 6, 83, 1.
22, 1-4 Aber dass man sich auch in Paris über Wagner betrügt! wo man bei-
nahe nichts Andres mehr ist als Psycholog. Und in Sankt-Petersburg! wo man
Dinge noch erräth, die selbst in Paris nicht errathen werden} Die geographi-
schen Koordinaten Paris und St. Petersburg benutzt N. auch in seinem Brief
vom 10. 04. 1888 an Georg Brandes, wo er schildert, wie er von seinen innigen
 
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