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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 6,1): Kommentar zu Nietzsches "Der Fall Wagner", "Götzen-Dämmerung" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.70913#0276
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Stellenkommentar GD Sprüche, KSA 6, S. 65 257

ob krank aus Krankheit oder aus überschüssiger Gesundheit... ob man
vorangeht als Hirt oder als ,Ausnahme' (dritte Species: als Entlaufener)... ob
man Würde nöthig hat — oder den ,Hanswurst'? ob man den Widerstand
sucht oder ihm aus dem Wege geht? ob man unvollkommen ist als ,zu früh'
oder als ,zu spät'... ob man von Natur Ja sagt oder Nein sagt oder ein Pfauenwe-
del von bunten Dingen ist? ob man stolz genug ist, um sich auch seiner Eitel-
keit nicht zu schämen? ob man eines Gewissensbisses noch fähig ist (die spe-
cies wird seltener: früher hatte das Gewissen zu viel zu beißen: es scheint,
jetzt hat es nicht mehr Zähne genug dazu) ob man einer ,Pflicht' noch fähig
ist? (— es giebt solche, die sich den Rest Lebenslust rauben würden, wenn sie
sich ,die Pflicht' rauben ließen... sonderlich die Weiberchen, die Unterthänig-
Geborenen...)".
Eine andere Notiz, nämlich NL 1887, KSA 13, 11[1], 9, 2-9 (korrigiert nach
KGW IX 7, W II 3, 198, 3-9, im Folgenden in der von N. überarbeiteten Version
ohne durchgestrichene Passagen wiedergegeben), die neben 65, 9-11 auch GD
Sprüche und Pfeile 41 (65, 23-66, 2) vorwegnimmt und dem Du noch ein „man"
als Frage-Instanz beigesellt, hat bereits den Charakter eines Selbstbefragungs-
formulars: „Man soll von sich nichts wollen, was man nicht kann.[...]: Man
frage sich: willst (du) vorangehn? Oder willst du für dich gehn? Im ers-
ten Falle wird man, besten Falls, Hirt, das heißt Nothbedarf der Heerde. Im
andern Fall muß er etwas Andres können, — von sich Fürsich gehen können,
muß man Anders- und Anderswohin gehen können. In beiden Fällen muß
man es können und kann man das Eine, darf man nicht das Andre wollen"
(vgl. ähnlich NL 1888, KSA 13, 18[7], 534). In all diesen Vorarbeiten ist jedoch
nicht von „Gewissensfragen" die Rede, wie sie in 65, 10 f.; 65, 15; 65, 21 und
66, l f. durchnummeriert wird, obwohl KSA 12, 10[145], 538, 7-10 (KGW IX 6,
W II 2, 44, 25-34) auch für GD Sprüche und Pfeile 29 die Vorarbeit liefert (vgl.
NK 63, 18-20).
Während N. sonst in GD Sprüche und Pfeile dem Gewissen entweder ableh-
nend (vgl. NK 60, 15 f.) oder genealogisch distanziert (vgl. NK 63, 18-20) gegen-
übersteht, sollen die „Gewissensfragen" hier wohl den existenziellen Ernst der
Selbstbefragung anzeigen. Ansonsten gibt es bei N. eine „Gewissensfrage" nur
noch in M 208 (KSA 3, 189, 3-5) und JGB 16 (KSA 5, 30, 17 f.).
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65, 13-15 Bist du echt? oder nur ein Schauspieler? Ein Vertreter? oder das
Vertretene selbst? — Zuletzt bist du gar bloss ein nachgemachter Schauspieler...
Zweite Gewissensfrage.] Vgl. NK 65, 9-11.
 
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