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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 6,1): Kommentar zu Nietzsches "Der Fall Wagner", "Götzen-Dämmerung" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.70913#0376
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Stellenkommentar GD Verbesserer, KSA 6, S. 96-97 357

für uns verantwortlichen ersten Ursache (97, 2). In GD Die vier grossen Irrthü-
mer 7 steht die Unschuld des Werdens der (religiös-moralischen) Erfindung
von Schuld gegenüber (96, 8 f.). „Unschuld des Werdens" kann also unter-
schiedlich positioniert werden und verdichtet sich in GD 96, 8 und 97, 4 f. nicht
zu einem festen Begriff. Deutlich aber steht die Losung „Unschuld des Wer-
dens" gegen die vorherrschende metaphysisch-moralische Interpretation des
Werdens, für die bereits das allererste wörtlich überlieferte Fragment der
abendländischen Philosophie ein bedeutsames Zeugnis abgibt, nämlich der
Satz des Anaximander: „Woraus aber für das Seiende das Werden ist, dahinein
erfolgt auch sein Vergehen nach der Schuldigkeit; denn sie schaffen einander
Buße und zahlen Strafe für ihre Ungerechtigkeit nach der Ordnung der Zeit"
(„g wv de ft yeveoig eoti Tolg ovoi, Kai Tqv cpOopdv cig Tavia yiveoOai KaTa
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Xpövov Tgiv". Diels / Kranz 1951, 12 B 1). Anaximander habe gelehrt, so N. in
seiner frühen Philosophie im tragischen Zeitalter der Griechen, „alles Werden
wie eine strafwürdige Emancipation vom ewigen Sein anzusehen, als ein
Unrecht, das mit dem Untergang zu büssen ist" (PHG 4, KSA 1, 819, 5-7, vgl.
NK KSA 6, 228, 11-13).
In der jüngeren Interpretationsgeschichte der „Unschuld des Werdens" ist
insbesondere Abels Ansatz prominent geworden, der den Begriff der
„Unschuld des Werdens" ins Verhältnis zur Wiederkunftslehre setzt (Abel
1998, 445-447).
97, 5 f. Der Begriff „Gott" war bisher der grösste Einwand gegen das Dasein...]
N. nimmt in EH Warum ich so klug bin 3, KSA 6, 286, 11 f. auf diesen Gedanken
Bezug.
97, 7 in Gott] Im Korrekturbogen von N. verbessert aus: „als Gott", im Druck-
manuskript sowie im unkorrigierten Korrekturbogen: „Gottes" (KSA 14, 419).
97, 7 f. damit erst erlösen wir die Welt.] Vgl. NK 152, 1-7.

Die „Verbesserer" der Menschheit
Nach NL 1888, KSA 13, 18[17], 537, 29, dem letzten Plan des „Willens zur Macht"
vom 26. August 1888, hätte das dritte Kapitel des zweiten Buches, das der
„Herkunft der Werthe" gewidmet sein sollte, „Die Guten und die Verbes-
serer" geheißen. Ansätze dazu finden sich schon in NL 1888, KSA 13, 12[2], 211,
17 (KGW IX 7, W II 4, 4, 12) mit dem Titel „Wie die Tugend zum Siege
kommt". Neu konfiguriert wurden diese Überlegungen unter dem Eindruck
von Jacolliot 1876, d. h. der philologisch sehr zweifelhaften Bearbeitung des
 
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