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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 6,1): Kommentar zu Nietzsches "Der Fall Wagner", "Götzen-Dämmerung" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.70913#0558
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Stellenkommentar GD Streifzüge, KSA 6, S. 147-148 539

der schönsten Zufälle meines Lebens") auch N.s Brief an Franz Overbeck,
23. 02. 1887, KSB 8, Nr. 804, S. 27 f., Z. 16-25: „Von Dostoiewsky wußte ich vor
wenigen Wochen auch selbst den Namen nicht — ich ungebildeter Mensch, der
keine ,Journale' liest! Ein zufälliger Griff in einem Buchladen brachte mir das
eben ins Französische übersetzte Werk l'esprit souterrain unter die Augen
(ganz so zufällig ist es mir im 21ten Lebensjahre mit Schopenhauer und im 35ten
mit Stendhal gegangen!) Der Instinkt der Verwandtschaft (oder wie soll ich's
nennen?) sprach sofort, meine Freude war außerordentlich: ich muß bis zu
meinem Bekanntwerden mit Stendhals Rouge et Noir zurückgehen, um einer
gleichen Freude mich zu erinnern." Sodann N. an Heinrich Köselitz, 13. 02.
1887, KSB 8, Nr. 800, S. 24, Z. 53-55: „Kennen Sie Dostoiewsky? Außer Stendhal
hat Niemand mir so viel Vergnügen und Überraschung gemacht: ein Psycho-
loge, mit dem ,ich mich verstehe'."
147, 22 Tschandala-Gefühl] Vgl. NK 100, 17 f.
147, 30-32 So lange der Priester als oberster Typus galt, war jede werth-
volle Art Mensch entwerthet...] In N.s Spätwerk ist die Vorstellung, dass sich
die „Priester" in einem ursprünglichen Kampf gegen die physisch Starken
befunden hätten, weitverbreitet. Dabei wird insinuiert, dass die Priester die
Starken schließlich überwunden und entmachtet hätten. Als kulturgeschichtli-
che Hypothese findet sich eine ähnliche Auffassung z. B. bei Caspari 1877,
2, 178-205 unter dem Titel „Priesterkämpfe der Urzeit unter den begabtesten
Culturvölkern", der harsche Urteile ebenfalls nicht zurückhält: „Aber wir irren,
wenn wir meinen, das /191/ sich entwickelnde Priesterthum der Urzeit habe
früh geahnt und begriffen, daß sich seine bildenden Bestrebungen nicht über
das Gebiet des innern Geistes und Gefühls hinauserstrecken konnten, im
Gegentheil, die Verführung der rasch erlangten neuen Macht und Herrschaft
war viel zu groß, als daß es hier und da unter den Culturvölkern nicht zum
Uebermuthe geneigt gewesen wäre, in welchem es sich unterfing, auch eine
weltliche Herrschaft sich anzueignen. Damit war aber sehr früh ein unabsehba-
rer Kampf heraufbeschworen, und zwar ein ungerechter und verwerflicher
Kampf; denn es machten sich unter seinem Einflüsse anmaßende Priesterge-
lüste nach Alleinherrschaft und Despotismus geltend. [...] Die Folge davon war,
daß alle weitere freiere Entfaltung des Geistes und Gefühls unterdrückt und
dieselbe allein der Hierarchie in die Hände gegeben wurde" (Caspari 1877, 2,
190 f.). In AC GWC, KSA 6, 254, 23-26 werden die verlangten Sanktionen gegen
die Priester drakonisch.
148, 10-14 Fast jedes Genie kennt als eine seiner Entwicklungen die „catilinari-
sche Existenz", ein Hass-, Rache- und Aufstands-Gefühl gegen Alles, was schon
ist, was nicht mehr wird... Catilina — die Präexistenz-Form jedes Caesar.]
 
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