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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 6,2): Kommentar zu Nietzsches "Der Antichrist", "Ecce homo", "Dionysos-Dithyramben", "Nietzsche contra Wagner" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.70914#0112
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Stellenkommentar AC 15, KSA 6, S. 180-181 89

stattfände." (Schneider 1882, 100) Den Begriff „Nervenkraft" hat sich N. in
einem Schneider-Exzerpt 1883 notiert (NL 1883, KSA 10, 7[239], 316); er kommt
allerdings schon in M 173, KSA 3, 154, 12 vor. Eine weitere einschlägige Quelle
ist neben Guyau 1885 (vgl. Lampl 1990, 26) überdies Rolph 1884, 179: „Es ist
auch klar, dass der complicirte thierische Organismus nicht so prompt agiren
könnte, wenn jeder Reiz erst den langwierigen Weg durch das Bewusstsein
nehmen müsste, ehe die entsprechende Bewegung ausgelöst wird. Die Aus-
schaltung des Bewusstseins stellt sich somit als ein Vortheil für den complicirte-
ren Organismus heraus, als eine Anpassung an die gesteigerten Forderungen
des Lebens. Und eine Anpassung ist stets eine secundäre Erscheinung. Fällt das
Bewusstsein fort, so gewinnt die Action aber nicht nur an Sicherheit und
Schnelligkeit, sondern auch an Kraft, da zur Erregung des Bewusstseins ein
Theil der Kraft, die sonst vollkommner zur Hauptleistung verwendet werden
kann, verloren geht." (Von N. mehrfach am Rand markiert; von ihm Unterstri-
chenes hier kursiviert).
Positiv mit dem „höheren Typus" ist „Geistigkeit" allerdings in AC 5
verknüpft, vgl. NK 171, 27-30. An einen Geist als Widersacher der Seele im Stil
von Ludwig Klages denkt N. nicht, da es bei ihm gar keine Seele gibt — dafür
denkt er über die Reduktion des Geistes auf „eine Art dieses Stoffwechsels"
(EH Warum ich so klug bin 2, KSA 6, 282, 16 f.) nach.
181, 6-9 Der „reine Geist" ist eine reine Dummheit: rechnen wir das Nervensys-
tem und die Sinne ab, die „sterbliche Hülle", so verrechnen wir uns —
weiter nichts!...] Penzo 1986, 140 führt die Gleichung „reiner Geist" — „reine
Lüge" auf Max Stirner zurück. N. hat schon früh Forschungsliteratur zur Kennt-
nis genommen, die den alten cartesianischen Substanzendualismus von Körper
und Geist aufgrund gehirnphysiologischer Erkenntnisse in Frage gestellt hat.
So sieht beispielsweise Alexander Bain in seinem Buch Geist und Körper (1874,
NPB 131) eine enge Verflochtenheit des bewussten Seelenlebens mit dem
Gehirn. Für ihn ist Geist in der uns bekannten Form auf einen Körper angewie-
sen.

15-19
181, 10-185, 29 Diese Abschnitte standen ursprünglich unter der Überschrift
„Begriff einer Decadence-Religion" (KSA 14, 440), obwohl in diesen
Abschnitten hauptsächlich Juden- und Christentum abgehandelt werden, und
nicht etwa der ebenfalls zu den „decadence-Religionen" (AC 20, KSA 6, 186, 6)
zählende Buddhismus. Das Christentum gilt als Inbegriff einer „Decadence-
Religion".
 
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