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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 6,2): Kommentar zu Nietzsches "Der Antichrist", "Ecce homo", "Dionysos-Dithyramben", "Nietzsche contra Wagner" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.70914#0321
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298 Der Antichrist. Fluch auf das Christenthum

nur die Frage aufzuwerfen, was mehr Werth hat, Christenthum oder Islam!
Es sind ja Gegensatz-Werthe. Man kann, wenn man vornehme Instinkte im
Leibe hat, gar nicht anders wählen als der Hohenstaufe Friedrich der Zweite:
Kampf gegen Rom, Frieden, Freundschaft mit dem Islam!..." In W II 8, 92
heißt es: „Wie kann man auch nur die Frage aufwerfen, was man zu wählen
hat, wenn es sich um Islam oder Christenthum handelt! Es sind ja Werth-
Gegensätze in beiden Religionen ausgedrückt! Entweder ist man Tschandala
oder man ist vornehm... Ein vornehmer Deutscher kann gar nicht anders emp-
finden als der Hohenstaufe Friedrich der Zweite, Krieg gegen Rom -"
(KSA 14, 448).
Der Vergleich von „Araber" und „Jude" (250, 6), der deutlich suggeriert,
man habe den „Araber" dem „Juden" vorzuziehen, fehlt in der früheren Fas-
sung noch, so dass der Eindruck entsteht, N. appelliere erst mit der Fassung
letzter Hand an antisemitische Vorurteile.
250, 8-11 „Krieg mit Rom aufs Messer! Friede, Freundschaft mit dem Islam": so
empfand, so that jener grosse Freigeist, das Genie unter den deutschen Kaisern,
Friedrich der Zweite} Vgl. EH Za 4, KSA 6, 340, 24-29; NL 1887/88, KSA 13,
11[153], 73 (KGW IX 7, W II 3, 132, 2-52) und NL 1885, KSA 11, 35[66], 539 (KGW
IX 4, W I 3, 71, 2-16). Enthusiastisch würdigt Alfred Rambaud in einem viel-
leicht von N. gelesenen Artikel der Revue des deux mondes den Stauferkaiser,
dem er als „grande originalite" die „liberte d'esprit" bescheinigt (Rambaud
1887, 445). „Frederic etait le plus dangereux ennemi de l'eglise romaine." (Ebd.,
446. „Friedrich war der gefährlichste Feind der römischen Kirche.") Seine
Schwäche für den Islam schildert Rambaud in bunten Farben (ebd., 447-450).
Rambaud vergleicht Friedrich II. von Hohenstaufen durchwegs mit Friedrich
II. von Preußen.
Für Burckhardt war — bei aller Reserve — Kaiser Friedrich II. „der erste
moderne Mensch auf dem Thron" (Burckhardt 1989, 13). Was August Müller zu
Friedrich II. notiert, deckt sich in der Sache durchaus mit dem Urteil von AC
60, ohne jedoch das programmatische „Krieg mit Rom auf's Messer! Friede,
Freundschaft mit dem Islam" eigens auszusprechen. Es heißt dort: „Doch fand
Kaiser Friedrich II. ihrer [sc. der ,Muslime'] immer noch so viele, dass er
in Unteritalien seine berühmte (Andere sagen berüchtigte) Saracenencolonie
Luceria anlegen konnte; wie er an Sprache und Litteratur der Araber das
lebhafteste Interesse nahm, mit seinem muslimischen Hofphilosophen gottlos
Logik trieb und zum Skandal aller frommen Leute selbst ein halber oder ganzer
Heide wurde, ist bekannt. Dafür marschirten die Muslime, solcher anständigen
Behandlung unter Christen längst entwöhnt, für ihren herrlichen Kaiser und
sein Haus durchs Feuer: im Kampfe für Friedrichs Söhne gingen sie (wären es
Nordländer gewesen, würde es heißen ,mit ächt germanischer Treue') zu
 
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