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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 6,2): Kommentar zu Nietzsches "Der Antichrist", "Ecce homo", "Dionysos-Dithyramben", "Nietzsche contra Wagner" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.70914#0365
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342 Ecce homo. Wie man wird, was man ist

vielmehr diesen als gut deklarierten Büchern selbst gewidmet sind. Jedenfalls
steht die Erörterung von Geschichte, Absicht und Eigenart der eigenen Werke
in der Mitte von EH, während in der Mitte von AC die „Psychologie des Erlö-
sers" Jesus stand, der eben gerade keine Werke hervorgebracht hat (vgl. NK
255, 1).
In der letzten überlieferten Fassung gliedert sich das Werk grob in drei
Teile: Zunächst will N. darstellen, wer er sei (EH Vorwort 1, KSA 6, 257, 5 f.).
Dieser textuellen Selbstkonstitution des sprechenden Ichs sind EH Warum ich
so weise bin und EH Warum ich so klug bin gewidmet. Daran schließt sich mit
EH Warum ich so gute Bücher schreibe ein zweiter Teil zu den umwälzenden
Erzeugnissen dieses exemplarischen Ichs an, nämlich zu seinen Schriften, die
dann im Einzelnen behandelt werden. Es reicht nicht aus, eine genealogische
und physiologisch-psychologische Analyse des sprechenden Ichs vorzulegen,
so wie N. in AC Jesus analysiert hat, denn was N. von Jesus wesentlich unter-
scheidet, ist sein Werk, sprich: seine Bücher. Daher haben sie im Zentrum zu
stehen. EH Warum ich ein Schicksal bin stellt schließlich in dieser Grobgliede-
rung den dritten Teil von EH dar. In diesem Kapitel wird das Getrennte — die
Person und das Werk — zusammengeführt unter der Droh- und Hoffnungsku-
lisse des Schicksals: Das sprechende Ich ist nicht einfach nur (wie Jesus) als
Person ein weltgeschichtliches Schicksal, sondern weil es ein Werk ins Szene
setzt — und zwar ein Werk, das in Gestalt der „Umwerthung aller Werthe"
Wirklichkeit werden wird und damit aufhört, bloß Literatur zu sein. EH als
Werk soll die Verschleierung, Verdunkelung und Vernichtung dieses Schick-
salswerkes gerade verhindern — eine Verschleierung, Verdunkelung und Ver-
nichtung, die wiederum nach AC Jesu „Praktik" in Gestalt des paulinischen
Christentums widerfahren seien. Mit dem dritten Teil und letzten Kapitel von
EH will sich N. der Welt als Schicksal aufzwingen. Wenn Langer 2005, 100 in
EH zwei gegenläufige Strategien, nämlich der Ich-Apotheose sowie der Ich-
Aufhebung im Allgemeinen, am Werk sieht, so darf doch nicht übersehen wer-
den, dass die Ich-Aufhebung gerade darin besteht, die im individuellen Ich N.s
bereits vollzogene Umwertung allgemein zu machen. In dieser Weise will das
Ich von EH exemplarisch werden.
Bedenkenswert ist auch, dass — abgesehen von den jeweils mit den
(gekürzten) Werktiteln versehenen Retraktationen der eigenen Schriften — die
vier rahmenden Kapitel nicht nur allesamt ein „ich" im Titel führen, sondern
überdies als Antworten auf Warum-Fragen formuliert sind. Sprachlich ähnlich
gestaltet ist der Titel „Was ich den Alten verdanke", damit eines Kapitels, das
N. noch im Oktober 1888 dem Text der Götzen-Dämmerung hinzufügte.
Ursprünglich gehörte es — noch ohne diesen Titel — in Heft W II 9c zu einer
ersten EH-Fassung (KSA 13, 24[1], S. 615-632). Früher hatte N. Kapitelüber-
 
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