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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 6,2): Kommentar zu Nietzsches "Der Antichrist", "Ecce homo", "Dionysos-Dithyramben", "Nietzsche contra Wagner" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.70914#0746
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Stellenkommentar NW Einwände, KSA 6, S. 418 723

418, 10 — eine entgegengesetzte Optik —] Der Einschub fehlt in FW 87, KSA 3,
445, 28.
418, 12 sitzt: da] FW 87, KSA 3, 445, 30: „sitzt: - da".
418, 14 Takt] FW 87, KSA 3, 445, 32: „Tact".
418, 15-17 — Wagner ist Einer, der tief gelitten hat — sein Vorrang vor den
übrigen Musikern. — Ich bewundere Wagner in Allem, worin er sich in Musile
setzt. -] FW 87, KSA 3, 445, 33 f.: „ — Aber er weiss es nicht! Er ist zu eitel
dazu, es zu wissen." Während FW 87 in eine Kritik an der Eitelkeit des dort
namenlos bleibenden Künstlers ausklingt, nimmt das Ende von NW Wo ich
bewundere eine deutlich versöhnlichere Wendung, indem er, wie schon im
Einschub 418, 4, das Leiden Wagners anerkennt und darin seine Bedeutung
begründet sieht, da er eben sich und sein Leiden in Musik umzusetzen ver-
stehe. Dass das Leiden so betont wird, korrespondiert mit N.s Selbstbeschrei-
bungen in EH, wo er sich selbst gleichfalls als dekadenzbedroht darstellt und
schildert, wie er das Leiden überwunden habe. Dekadenz- und Leidensüber-
windung gelingt Wagner nach N.s Dafürhalten hingegen nicht. Seine Musik
bildet sein eigenes Leiden nur ab. In der Bearbeitung von FW 87 für NW findet
eine deutliche Zuspitzung ad personam statt; dass der Abschnitt schon
ursprünglich gegen Wagner gerichtet gewesen sein soll, hat sich vermutlich
vielen Lesern von FW nicht bei der ersten Lektüre erschlossen. Die Betonung
des Leidens, die die NW-Bearbeitung von der FW-Vorlage unterscheidet, fügt
sich in die von N. 1888 exzessiv gepflegte Strategie ein, die jeweiligen Gegner
mittels Pathologisierung verdächtig zu machen. Was sich zunächst wie ein
Kompliment liest, nämlich die Anerkennung von Wagners Leiden und die
Anerkennung der Leidensaffektion von Wagners Werk, erweist sich im Licht
von N.s anderen Pathologieverdikten als subtile Form der Herabsetzung.

Wo ich Einwände mache.
Die Vorlage dieses Kapitels ist FW 368, KSA 3, 616-618. Die Überschrift lautet
dort: „Der Cyniker redet." (KSA 3, 616, 29, vgl. NK 418, 3 f.).
418, 19 f. Damit ist nicht gesagt, dass ich diese Musik für gesund halte, am
wenigsten gerade da, wo sie von Wagner redet.] Fehlt in FW 368 und dient
hier als Überleitung von der (freilich vorbehaltvollen) Bewunderung zu den
Einwänden. Die Anordnung des Gedankens, zuerst von „dieser Musik" im All-
gemeinen zu sprechen, dann erst von Wagner als einer spezifischen Erschei-
nungsform dieser Musik, degradiert die Person zum bloßen Symptom eines
 
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