Metadaten

Salomon-Calvi, Wilhelm; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse [VerfasserIn] [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse (1926, 13. Abhandlung): Die Gruppendefinitionen in der Paläontologie — Berlin, Leipzig, 1926

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.43409#0004
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
4

Wilhelm Salomon:

nur scheinbar. Variierung, Bastardierung, Standortsanpassung, Ver-
kümmerung, Mutierung1) (im WAAGENSchen wie im De VßiESschen
Sinne), pathologische Veränderungen usw. führten an vereinzelten Stücken
fast immer zur Aufstellung einer „neuen Art“. Und so schufen wir einen
Ballast von Namen, der es immer mehr erschwerte, wissenschaftliche
Folgerungen aus dem Material zu ziehen. Dabei hatte Dacque meiner
Ansicht nach völlig recht, wenn er sagte, daß es zunächst nicht erlaubt
sein sollte, mit einer bestimmten theoretischen Anschauung und Defi-
nition an das Material heranzutreten, gleichgültig, ob man im Sinne von
Linne oder in dem einer der verschiedenen Formen der Entwicklungs-
lehre definierte. Man sollte umgekehrt rein empirisch das Material be-
schreiben und dann erst Folgerungen daraus auf das biologische Ver-
halten ziehen.
Nach Dacque hat Diener 19102) die Schwierigkeiten der paläonto-
logischen Artbestimmung eingehend begründet und klar gezeigt, daß die
paläontologische „Art“ „.keine physiologische, sondern eine deskriptive
Einheit“ ist. Auch Stromer von Reichenbach ist in seinem Lehrbuch
auf diese Fragen ausführlich eingegangen3) und hat besonders scharf be-
tont, daß der Paläontologe die gleichzeitig nebeneinander auftretenden
Änderungen von den zeitlich aufeinander folgenden unterscheiden muß.
Ein Formunterschied von derselben Quantität kann im ersteren Falle
Sehr wenig, im letzteren Sehr viel bedeuten und hat dann oft die Ver-
anlassung zu neuen Namen gegeben. Schon von Neumayr ist hervor-
gehoben worden, daß in solchen Fällen Übergänge zwischen zwei Formen
kein Hindernis für ihre Abtrennung zu sein brauchen. Dacque selbst
hat 1914 in einer Bearbeitung abessynischen Juramateriales seinen frühe-
ren Standpunkt stark verändert.4) Er bekennt sich unter dem Einfluß
der mittlerweile von biologischer Seite durchgeführten Untersuchungen
über die Variabilität von Populationen dazu, einerseits bei solchen den
Artbegriff sehr weit zu fassen, andererseits aber bei Funden weit von-
einander entfernter Fundorte oder bei selbst geringfügigen Altersunter-
schieden die feinsten Unterscheidungsmerkmale zur Arttrennung zu be-
x) Der Ausdruck „Mutation“ wird in der Paläontologie immer mit einem
hohen Maße von Unsicherheit behaftet sein. Denn, wie will man bei einer als Mu-
tation angesehenen Form den Nachweis erbringen, daß es sich um eine neu auf-
tretende erblich fixierte Änderung in einer „reinen Linie“ handelt?
2) KarlDiENER, Paläontologie und Abstammungslehre. Leipzig bei Göschen.
1910. Bes. S. 15 u. f.
3) Lehrbuch der Paläozoologie. Bd. II, S. 270 u. f., S. 280 u. f.
4) Neue Beiträge zur Kenntnis des Jura in Abessynien. (Beiträge zur Pa-
läontologie und Geologie Österreich-Ungarns und des Orients. 27. 1914. S. 1 — 17.)
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften