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Salomon-Calvi, Wilhelm; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse [VerfasserIn] [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse (1928, 8. Abhandlung): Geologische Beobachtungen des Leonardo da Vinci — Berlin, 1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.43550#0004
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Wilhelm Salomon:

wichtige Punkte lenken und würde mich freuen, wenn meine Anregung
einen anderen Forscher veranlaßte, eine erschöpfende Darstellung meines
Themas zu geben.
Vor allen Dingen geht aus den Aufzeichnungen Leonardos hervor,
daß er ganz genau nach dem erst drei Jahrhunderte später zur allgemei-
nen Annahme gekommenen Grundsatz des Aktualismus arbeitet. Was
C. E. A. von Hoff und Lyell zum Durchbruch brachten, was vor ihnen
schon Hutton und Playfair angestrebt hatten, war Leonardo selbst-
verständlich, wenn er auch natürlich, seiner Zeit entsprechend, die Aus-
sagen der Bibel wörtlich nahm. Dennoch hatte er den Mut, in der bei
Richter als Abschnitt 986 wiedergegebenen „Dubitazione“ (Zweifel)
sich gegen die Universalität der Sintflut auszusprechen. Seine Beweis-
führung ist die folgende. 40 Tage und Nächte regnete es nach der Bibel
auf der ganzen Erde, bis das Wasser 10 Ellen höher als der höchste Berg
der Erde gestiegen war. Unter diesen Umständen würde es nicht mehr
haben abfließen können. ,,E qui mancano le ragioni naturali, onde
bisognia per soccorso di tal dubitatione chiamare il miracolo per aiuto,
o dire che tale acqua fu vaporata dal calore del sole.“ Dem Sinne nach
bedeutet das, daß er das Wiederauftauchen der Erde aus der Sintflut für
unmöglich hielt, wenn man nicht entweder ein Wunder zu Hilfe nähme
oder die gleich unwahrscheinliche Annahme mache, die Sonnen wärme
habe die ganze Wassermasse in der kurzen, von dem biblischen Berichte
angenommenen Zeit in Dampf verwandelt. Offenbar stand er beiden
Erklärungen gleich ungläubig gegenüber, wenn er das auch nicht aus-
drücklich sagt. Man wird sich darüber nicht wundern, wenn man bedenkt,
daß Giordano Bruno noch 1593 in Rom verbrannt wurde und daß Galilei
1633 widerrufen mußte und zum Kerker verurteilt wurde. Leonardo aber
schrieb um 1510.
Wo Leonardo eine Hypothese prüft oder eine Beobachtung geolo-
gischer Art zu erklären versucht, da geht er von seinen eigenen Beobach-
tungen über rezente Vorgänge aus. Solche aber hatte er nicht etwa
gelegentlich nebenher angestellt, sondern ganz systematisch auf seinen
Reisen und bei seinen Aufenthalten an verschiedenen Orten gemacht.
Und dabei hatte er der Tätigkeit des Wassers und anderer anorganischer
Faktoren genau dieselbe Aufmerksamkeit gewidmet, wie der der Organis-
men. Man vergleiche z. B. folgende Sätze aus Richter, Nr. 991, S. 217 :
„E li detti scogli sono tutti coperti di parentadi e famiglie d’ostriche,
le quali noi sappiamo che non si movono, ma stanno sempre appiccate
col’ un dei gusci al sasso, e T altro aprono per cibarsi d’animaluzzi, che
notan per l’acque, li quali, credendo trovar bona pastura, diventano
cibo del predetto nicchio“ (die genannten Felsen sind ganz bedeckt von
 
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