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Salomon-Calvi, Wilhelm; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse [VerfasserIn] [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse (1929, 5. Abhandlung): Arktische Bodenformen in den Alpen — Berlin, Leipzig, 1929

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https://doi.org/10.11588/diglit.43578#0014
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Wilhelm Salomon:

macht. Während aber in Spitzbergen und Lappland die Wurzeln der
Pflanzen in dieser Bodenform sehr oft stark nach unten verlängert sind, weil
es sich um Solifluktionsböden handelt, habe ich weder hier noch bei irgend-
einem der anderen Vorkommen von Streifenböden, die ich im Engadin
sah, diese Verlängerung der Pflanzenwurzeln beobachten können. Alles
deutet darauf, daß die Streifen unbeweglich liegen und daß keine Soli-
fluktion bei ihrer Bildung oder auch nur nachher auf sie eingewirkt hat.
Die Entstehung dieser Strukturbodenformen denke ich mir so, daß, so-
lange Schnee die Flächen bedeckt, Schmelzwasser Rinnsale bildet, die
in der Richtung des Gefälles nebeneinander verlaufen und auf ihrem
Wege die Feinerde mitnehmen (man vgl. Fig. 1). Zwischen den Rinn-
salen bleibt die Feinerde erhalten. Schmilzt nun der Firn weg, so bläht
sich die Feinerde genau wie in den Beeten bei jedem Gefrieren auf, läßt
die auf ihr liegenden. Steine abgleiten oder drängt sie aktiv zur Seite, so
daß die Feinerdestreifen immer ärmer an Steinen werden. Ich sah diese
Feinerdestreifen nur auf geneigten Flächen, wenn auch die Neigung
manchmal recht gering war.
Recht gut entwickelte Feinerdebeete und Streifenböden sah ich auch
westlich des Punktes 2958 und nordwestlich von ihm auf den hohen
Flächen gegen den kristallinen Vorberg des Piz Lischanna. Besonders
schön sind sie neben einem kleinen See, etwa 150 m westlich des Punktes
2958 entwickelt. Das ist um so auffälliger, als hier das Gestein ungünstig
ist. Es ist wesentlich Dolomit ohne Piattung, also in isometrischen Stücken,
die daher auch keine tangentiale oder vertikale Anordnung erkennen
lassen können. Aber das Seitwärtsschieben der größeren Steine ist doch
ganz deutlich. Wahrscheinlich beziehen sich Tarnuzzers auf S. 13
wiedergegebene Worte teilweise auf dies Gebiet. Auf dem Wege zur
Lischannahütte hören die Erscheinungen bald auf. Sie sind also auf
dieser Seite des Gletschers im wesentlichen nur in einer Meereshöhe von
2900 bis 3000 m entwickelt.
An einem Tage, an dem ich verhindert war, beging mein Sohn den
Nordhang des Unterengadins nördlich Schuls.
Er stieg zum Piz Minschun hinauf (3071,9 m), hinunter zum Davö
Jarvo, zurück über den Sattel in die Fuorcla Champatsch (2733 m).
Dann traversierte er unter dem Piz Champatsch und Piz Soer zur Fuorcla
Spadla (2700 m) und stieg über die Alpe Spadla nach Sent ab. Auf dem
ganzen Minschunrücken sah er vom Sattel an bis zur Spitze die Fein-
erdebeete mit verhältnismäßig kleinen Steinen im Inneren und mit
größeren Trümmern am Rande, die eine Tendenz zur senkrechten Stel-
lung hatten. Zum Teil waren die Beete gegeneinander gedrängt und dann
polygonal gestaltet. Auffällig war eine Gliederung der Abhänge durch
 
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