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Deecke, Wilhelm; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse [VerfasserIn] [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse (1929, 9. Abhandlung): Zur Entstehung der Kare — Berlin, Leipzig, 1929

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https://doi.org/10.11588/diglit.43582#0009
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Zur Entstehung der Kare.

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obachten, und zwar wie in der unteren Reihe von allen Seiten Winter-
schnee und Schutt in den einzelnen Kesseln zusammensackte, während
in der oberen Reihe noch alles ruhig blieb und erst eine Woche später
einsetzte. Das Wichtige daran ist „von allen Seiten her“, nicht nur
von der Idinterwand, sondern auch von den Zwischengraten bis ganz
vor an die Talwand heran. Der in einem Kar liegende Gletscher be-
arbeitet naturgemäß am stärksten die Hinterwand, welche wahrschein-
lich dadurch besonders steil wird, und den Boden. Der Schnee jedoch
wirkt auf alle Hänge des Kessels ein, solange das glaziale Stadium
noch nicht begonnen hat. Es ist ein Abreißen und Niederbrechen
anfangs flacherer Hänge meist in der Form kleiner Katastrophen, wes-
halb ich die Homologie mit den Bergstürzen betonen möchte.
Bowmann und Brückner haben schon früher gesagt, daß die Wir-
kungen des Schnees auf Gehängen über 200 Neigung denen des Gletscher-
eises ähnlich sind. Um so mehr wundert mich, daß sogar in den neusten
Lehrbüchern der Morphologie kaum davon die Rede ist. Die oberen
Teile der Almen sind auch jetzt oft über 20° geneigt und die Spuren
des abgleitenden Schnees sehr deutlich. Je mehr von dem weichen
Gestein und Boden entfernt wird, um so energischer packt der Schnee
an; beide Momente steigern sich gegenseitig und besonders dann, wenn
außerdem zum Beginn der Eiszeit die Schneemengen wuchsen.
A. Penck hat eine sehr interessante Beobachtung gemacht, daß
in den allerhöchsten Teilen der Alpen typische Kare fehlen, daß die
Modellierung des Kammes schmälere und schärfere Formen annimmt.
Tm Rahmen der hier vorgetragenen Anschauungen wäre dies durchaus
begreiflich, sobald man annimmt, daß die höchsten Teile immer, d. h.
gleich von Anfang an vereist waren, daß sie daher der reinen Glazial-
wirkung ausschließlich ausgesetzt gewesen sind und dem Miozän
ihre Eisdecke verdanken. Sie haben also weder die fluviatile Erosion,
noch die nivale Umformung erfahren, sind nur verschmälert ohne lokale
tiefer greifende Seitenausnagung. Die das Gestein kräftig beeinflussen-
den Lawinen z. B. Grundlawinen sind in den Höchstregionen seltener,
und das feste Gletschereis gegen solche Katastrophen und gegen Staub-
lawinen ein guter Schutz.
Es mag aber etwas anderes dazu kommen. Diese höchsten Teile
sind in den Alpen die jüngsten Decken, welche im wesentlichen aus
kristallinen Gesteinen sich aufbauen. Jener für die tieferen Schuppen
so bezeichnende Wechsel zwischen aufgepreßtem, überlagerndem,
hartem Kristallin und den unterteufenden weicheren Sedimenten
fehlt und damit auch die Möglichkeit einer energischen Quell- oder
Nischenbildung, sowie die Entwicklung einer jede Art von Erosion
 
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